Süddeutsche Zeitung

Wahl in Mecklenburg-Vorpommern:Duett statt Duell

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Die CDU von Innenminister Lorenz Caffiervon will weiter mit der SPD regieren, doch Ministerpräsident Erwin Sellering hält sich alles offen. Bei den Linken bietet sich Ex-Minister Helmut Holter als Partner an - dem haben radikale Genossen seine pragmatische Kampagne verhagelt.

Jens Schneider

Das Duell wurde ein Duett, und niemand hatte anderes erwartet. Weil Wahlkampf ist, und ein Fernsehduell nun einmal dazugehört, trafen sich Ministerpräsident Erwin Sellering von der SPD und Innenminister Lorenz Caffier kurz vor dem Wahltag im Norddeutschen Rundfunk. Caffier sollte den Herausforderer geben. Aber der CDU-Spitzenkandidat ersparte seinem Chef Attacken. Er möchte doch gern, wie in den vergangenen fünf Jahren, wieder mit ihm regieren. Sellering nannte ihn dafür gütig: "mein Innenminister".

Es war so harmonisch, dass sogar der Moderator erleichtert zu sein schien, als alles vorbei war. Also könnte man annehmen, dass es nach der Wahl mit der großen Koalition weitergeht - wäre da nicht noch ein dritter: der Spitzenkandidat der Linken und frühere Arbeitsminister Helmut Holter.

Der wäre beim Duell so gern dabei gewesen, dass er sich zum Ausgleich seine eigene Sendung schuf, im Internet. Parallel zur Fernsehsendung ließ er sich im Studio befragen, als Interviewer sprang die Partei-Ikone Gregor Gysi ein. Es ging Holter, einem Mann von norddeutsch drögem Temperament, nicht darum zu beweisen, dass das Fernsehduell mit ihm aufregender geworden wäre. Da dürfte er seine Grenzen kennen. Holter will nach fünf Jahren wieder regieren.

Vor gar nicht langer Zeit sah er sich selbst als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Das war nicht einmal so unrealistisch. Bei der jüngsten Bundestagswahl erreichte die Linke in Mecklenburg-Vorpommern mit 29 Prozent fast doppelt so viele Stimmen wie die SPD, die bei 16,7 lag. Inzwischen haben sich die Verhältnisse gedreht.

Rache der störrischen Radikalen

Die SPD liegt weit vor allen anderen, die Linke weit hinter der CDU, und Holter dient sich den Sozialdemokraten aktiv als Juniorpartner an. Darauf ist die Kampagne der Linken ausgerichtet: "Schöner mit uns" lautet das positive Leitmotiv. Das sind nicht wie einst die Klagelieder einer Protestpartei, die abschöpfen will, was die Politik von SPD und CDU an Empörung generiert haben. Mit großer Entschlossenheit drückte Holter eine Kandidatenliste für den Landtag durch, die frei von allen Radikalen blieb und dem SPD-Regierungschef gefallen sollte. Das brave Parteivolk - das Durchschnittsalter liegt bei 68 Jahren - folgte ihm.

Als gar nicht so kleine Rache der störrischen Radikalen in der eigenen Partei wurde dann deren Beitrag zum Jahrestag des Mauerbaus am 13. August verstanden. In kaltem Tonfall erklärten sie den Mauerbau als alternativlos; drei Linke blieben auf dem Landesparteitag sitzen, als den Mauertoten gedacht wurde. Entsetzt erlebten die Reformer um Holter, wie ihre Inszenierung als geläuterte moderne Linkspartei sabotiert wurde. Jahrelang haben solche Vorfälle der Linken nicht geschadet, sie lebte gut in ihrem Biotop als ostdeutscher Underdog. Wenn sie aber mitregieren wollen, schaden ihnen die Eskapaden ihrer Dogmatiker.

Das bedeutet nicht das Ende von Holters Regierungsträumen. Ministerpräsident Sellering hält sich alles offen. Die CDU ist für ihn ein möglicher Partner wie die Linke oder die Grünen. Die Wähler ziehen laut Umfragen eine große Koalition deutlich vor - sie ist im Vergleich zu früheren Regierungen im Land recht beliebt. Aber Teile der SPD neigen zu einer Koalition mit der Linken. Mit ihnen haben sie zentrale Ziele wie die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns gemeinsam, die sie mit der CDU nicht umsetzen konnten.

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SZ vom 03.09.2011
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