Süddeutsche Zeitung

Vor Wahl in Libyen:Revolutionäre bedrohen Abgeordnete

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Kurz vor der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung in Libyen wollen Revolutionäre das Übergangsparlament zur Auflösung zwingen. Der umstrittene Ministerpräsident Seidan soll jedoch einen Kompromiss ausgehandelt haben, der wenigstens die Wahl ermöglicht.

In Tripolis ist die Lage kurz vor der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung für Libyen angespannt. Zwei ehemalige Revolutionsbrigaden haben das im Juli 2012 eingesetzte Übergangsparlament aufgefordert, sich aufzulösen. Andernfalls würden Abgeordnete als Geiseln genommen, hieß es in einer gestern Abend im Fernsehen verlesenen Erklärung.

Inzwischen teilte Ministerpräsident Ali Seidan der staatlichen Nachrichtenagentur Lana zufolge mit, er habe einen Kompromiss mit den "Revolutionären" gefunden. Diese seien bereit, den Abgeordneten weitere 72 Stunden Zeit zu geben. Damit wäre die für Donnerstag geplante Wahl gerettet. Seidan selbst ist bei den Abgeordneten umstritten: Ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef ist seit Wochen in Vorbereitung.

Armee soll Parlament schützen

Der Vorsitzende des Übergangsparlaments, Nuri Abusahmein, warnte vor einem "Staatsstreich gegen die legitimen Einrichtungen des Landes". Die Armee habe zugesagt, das Parlament zu verteidigen.

Die Drohung der Kämpfer, die sich 2011 für den Kampf gegen die Truppen von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi zusammengeschlossen hatten, ist bereits der zweite Putschversuch binnen weniger Tage. Am vergangenen Freitag hatte ein ehemaliger Militärkommandeur erklärt, er wolle das Parlament auflösen und die Regierung von Ministerpräsident Ali Seidan entmachten.

Interimsparlament will bis Dezember bleiben

Das Übergangsparlament war im Juli 2012 für 18 Monate bestimmt worden und sollte Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung im Verlauf des Februars organisieren, gefolgt von Parlamentswahlen. Anfang Februar verabschiedete das Interimsparlament jedoch einen Beschluss zur Verlängerung seiner Amtszeit bis Dezember - obwohl große Teile der Bevölkerung dagegen waren, da sie den Abgeordneten fehlende Erfolge bei der Befriedung des Landes vorwerfen.

Die Libyer sollen am Donnerstag einen Rat wählen, der eine Verfassung für das nordafrikanische Land formulieren soll. Unter dem gestürzten Machthaber Gaddafi hatte Libyen weder eine Verfassung noch ein Parlament gehabt.

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dpa/AFP
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