Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Oberstes Gericht entscheidet gegen zweites schottisches Referendum

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Der Supreme Court in London hat entschieden, dass die Schotten nicht im Alleingang noch einmal über ihre Unabhängigkeit abstimmen dürfen. Das ist Öl im Feuer von Regierungschefin Sturgeon, die dennoch nicht aufgeben will.

Der Oberste Gerichtshof in Großbritannien hat einstimmig entschieden, dass ein weiteres schottisches Referendum über die Abspaltung vom Vereinigten Königreich gegen den Willen Westminsters nicht zulässig ist. Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hatte ungeachtet der Ablehnung der britischen Regierung im Juni ihre Pläne für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum vorgestellt. Das Referendum, das im Oktober 2023 stattfinden sollte, wenn es nach Sturgeon ginge, wäre bereits das zweite seit 2014. Damals hatte sich eine Mehrheit der Schotten für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausgesprochen.

Vor Gericht ging es darum, ob das Regionalparlament in Edinburgh ein Referendum über die Loslösung von London beschließen darf - auch wenn die britische Regierung dagegen ist. Die Premierminister, die seit 2014 im Amt waren, David Cameron, Theresa May, Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak, waren allesamt gegen ein schottisches Unabhängigkeitsreferendum, denn die Schotten hätten sich 2014 eindeutig entschieden.

Brexit hat alles verändert

Doch Sturgeon argumentiert, seit dem Brexit-Referendum von 2016 seien die Karten neu gemischt: Das Vereinigte Königreich ist aus der EU ausgetreten, während in Schottland eine deutliche Mehrheit gegen den Brexit war. Unterdessen sind unter dem Einfluss der schweren Wirtschafts- und Energiekrise, die Großbritannien wie viele andere Länder derzeit erlebt, auch in England wieder Diskussionen darüber lauter geworden, ob der Brexit aus wirtschaftlicher Sicht die falsche Entscheidung war. Premierminister Sunak bestreitet dies jedoch.

Die Ablehnung des schottischen Ansinnens durch ein Gericht in England könnte nun den Befürwortern der Unabhängigkeit Aufwind geben, die bestreiten, dass Schottland sich in einer freiwilligen Union befinde. Im Vorhinein hatte First Minister Sturgeon betont, dass sie ein Nein aus London akzeptieren werde, dann aber die nächste britische Parlamentswahl als Quasi-Referendum führen werde.

Sturgeon sieht Demokratie in Gefahr

Die Entscheidung des Supreme Court habe gezeigt, dass eine Unabhängigkeit von grundlegender Bedeutung sei, damit Schottland "der Brexit-Katastrophe" und einer Regierung entkomme, für die es nicht gestimmt habe, so Sturgeon nach Bekanntwerden des Gerichtsurteils. Das Urteil habe gezeigt, dass es sich beim Vereinigten Königreich nicht um eine freiwillige Union gleichberechtigter Partner handele und die Demokratie in Gefahr sei. Sturgeon sagte, sie sei jederzeit bereit, mit Premierminister Sunak über eine Einigung für ein Referendum zu sprechen. Der lehnt das bislang ab.

Stattdessen sieht Sunak die Diskussion um eine Unabhängigkeit nun beendet. "Wir begrüßen das klare und endgültige Urteil des Obersten Gerichts des Vereinigten Königreichs", sagte er im Unterhaus. Er betonte, nun sei die Zeit, dass Politiker zum Wohle der Menschen in Schottland zusammenarbeiten. Es gehe darum, gemeinsam grundlegende Probleme wie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzugehen. Der Premier wich Fragen mehrerer Abgeordneter der Schottischen Nationalpartei (SNP) aus, inwiefern er guten Gewissens von einer freiwilligen Union sprechen könne, wenn er doch Schottland das Recht auf eine demokratische Entscheidung per Unabhängigkeitsreferendum verweigere.

Im Parlament in Edinburgh sind die Befürworter der Unabhängigkeit in der Mehrheit. Ungeachtet der Londoner Entscheidung hatte das Unabhängigkeitslager für den Nachmittag in mehreren schottischen Städten zu Demonstrationen aufgerufen. Auch in fünf EU-Städten soll es kleinere Versammlungen geben, darunter in München (18.30 Uhr).

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