Süddeutsche Zeitung

Vereinigte Staaten:Den Präsidenten anklagen und beten

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Nancy Pelosis schwieriger Weg zum Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump.

Von Hubert Wetzel, Washington

So klang Nancy Pelosi im März: "Ich bin gegen ein Amtsenthebungsverfahren", sagte die Sprecherin des US-Abgeordnetenhauses und mächtigste Demokratin des Landes im Frühjahr der Washington Post. "Ein Impeachment spaltet das Land so tief. Und er ist es einfach nicht wert." Er - damit war Donald Trump gemeint, der Präsident. Und hätte Trump damals aufmerksamer zugehört, dann hätte er vielleicht verstanden, dass die einzige Person in Washington, die ihn davor schützt, dass die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn beginnen, die 79 Jahre alte Demokratenführerin aus San Francisco ist.

Aber Trump hörte entweder nicht zu, oder er verstand die Machtdynamik in Washington nicht. Vielleicht war es ihm auch egal. Jedenfalls telefonierte er am 25. Juli mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und forderte diesen auf, ihm einen "Gefallen" zu tun und sich den früheren Vizepräsidenten und heutigen demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden doch mal genauer anzuschauen. Inzwischen weiß man, dass das Teil einer umfassenden Druckkampagne des Präsidenten war, um Kiew zu Ermittlungen gegen Biden zu zwingen - ein klarer Fall von Amtsmissbrauch zu persönlichen politischen Zwecken. Als das bekannt wurde, konnte Pelosi ihren Widerstand gegen ein Amtsenthebungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten. "Ein Impeachment ist keine angenehme Erfahrung", sagte sie am Donnerstag, nachdem sie den Justizausschuss des Abgeordnetenhauses offiziell beauftragt hatte, die Anklageschrift gegen Trump zu formulieren. "Aber der Präsident hat uns keine andere Wahl gelassen."

Heute ist Pelosi eine der entschlossensten Impeachment-Befürworterinnen im Kongress. Berichten zufolge führt sie das Verfahren in allen Details und mit eiserner Hand. So bestimmte sie zum Beispiel, dass zuerst der Geheimdienstausschuss unter dem abgeklärten Vorsitzenden Adam Schiff die Ermittlungen führt und die Zeugen befragt, nicht der Justizausschuss. Dort geht es ruppiger und parteiischer zu, und Pelosi wollte vermeiden, dass das Impeachment zur Show verkommt. Auch darüber, welche Vergehen jetzt der Justizausschuss in die Anklageschrift gegen Trump aufnimmt, wird Pelosi wesentlich mitentscheiden. Pelosi erklärt ihren Sinneswandel mit der besonderen Lage.

Anders als bei vielen anderen Auseinandersetzungen mit Trump gehe es im Ukraine-Skandal nicht um unterschiedliche Meinungen über Politik. Derlei Streitigkeiten müssten in Wahlen geklärt werden, sagte sie am Donnerstag. Trumps Verhalten gegenüber Kiew bedrohe hingegen die staatliche Ordnung Amerikas, so Pelosi. Der Präsident habe versucht, eine US-Wahl mit ausländischer Hilfe zu seinen Gunsten zu manipulieren. "Es geht hier um die Verfassung", sagt Pelosi. Die möglichen wahltaktischen Folgen des Impeachments seien ihr egal. Das muss Pelosi sagen. Nur so kann sie Trumps Vorwurf kontern, das Amtsenthebungsverfahren sei eine "Hexenjagd" der Demokraten, deren einziges Motiv der Hass auf ihn sei. Aber die möglichen Folgen verschwinden nicht dadurch, dass Pelosi sie ignoriert; sie waren ja der Grund, warum Pelosi sich so lange gegen ein Impeachment gesperrt hatte. Sie fürchtete, dass das politische Theater, das ein Impeachment immer mit sich bringt, den Demokraten unterm Strich im Wahljahr 2020 mehr schaden als nutzen werde.

Ob das so kommt, ist offen. Allerdings zeigen die Umfragen bisher auch nicht, dass das Impeachment Trump politisch wehtut. Für Pelosi bleibt das Amtsenthebungsverfahren daher riskant. Vielleicht reagierte sie deswegen am Donnerstag so dünnhäutig, als ein konservativer Reporter sie fragte, ob sie Trump "hasst". Pelosi ging zornig auf den Journalisten los. Sie sei Katholikin und empfinde niemandem gegenüber Hass, erwiderte sie. "Ich bete für den Präsidenten."

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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