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Usbekistan:Hirnblutung bei Usbekistans Herrscher Karimow

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Die Krankheit des autoritären Präsidenten löst die Machtfrage in Usbekistan aus. Sollte er sterben, ist seine Nachfolge völlig offen.

Von Julian Hans, Moskau

Der usbekische Präsident Islam Karimow hatte einen Schlaganfall, und es ist offen, wer das zentralasiatische Land künftig führen soll. Der 78-Jährige sei am Samstagmorgen mit einer Hirnblutung in die Intensivstation gebracht worden, schrieb seine Tochter Lola Tiljajewa am Montag auf Facebook und Instagram: "Seine Lage wird als stabil bewertet. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch zu früh, Prognosen zu seinem zukünftigen Zustand zu machen". Sie bitte darum, die Privatsphäre der Familie zu achten und für ihren Vater zu beten. Weil die Behörden erstmals öffentlich über eine Krankheit des Staatschefs berichteten, gehen Beobachter in Taschkent davon aus, dass er schwer krank oder gar im Sterben sei.

Karimow machte in der Kommunistischen Partei Karriere, wurde Finanzminister der Usbekischen Sowjetrepublik und 1990 ihr Präsident. Nach dem Zerfall der Sowjetunion rettete er seine Macht in die neue Zeit und wurde 1991 Präsident des unabhängigen Usbekistan. Seitdem führt er den Staat ohne echte Kontrolle durch Parlament oder Justiz mit großer Gewalt.

Bevölkerung ist arm, die Herrscherfamilie lebt im Prunk

Usbekistan ist reich an Bodenschätzen, aber seine 30 Millionen Einwohner leben mehrheitlich in großer Armut. Menschenrechtsgruppen berichten von Folter und von Arbeitsbedingungen, die an Sklaverei grenzen. So gehen Schüler und Studenten oft über Wochen nicht zur Schule, weil sie zur Baumwollernte verpflichtet werden.

Derweil lebt die Herrscherfamilie in großem Prunk. Die Töchter führen ein Jetset-Leben; die 1972 geborene Gulnara war Botschafterin ihres Landes bei den Vereinten Nationen sowie in Spanien und galt lange als mögliche Nachfolgerin ihres Vaters. Berichten zufolge waren weite Teile der Wirtschaft Usbekistans in ihrer Hand. Vor drei Jahren wurde ihre Gier offenbar auch dem Vater ungeheuer; die Behörden begannen gegen Personen in ihrem Umfeld zu ermitteln, sie selber kam unter Hausarrest. Im November 2013 erklärte sie öffentlich, keine Ambitionen auf das Präsidentenamt zu haben. Seitdem ist die Nachfolgefrage unklar.

Eine Opposition hat Karimow nicht zugelassen. Kritiker werden unter dem Vorwurf verfolgt, sie seien Islamisten. Soziale Unruhen wurden brutal niedergeschlagen. Als im Mai 2005 Tausende Menschen in der Stadt Andischan demonstrierten, ließ der Präsident die Stadt abriegeln und Soldaten in die Menge schießen. Mindestens 400 Menschen starben.

Trotz der Willkürherrschaft und schwerer Menschenrechtsverletzungen hat sich die Bundesregierung stets um ein gutes Verhältnis zu Taschkent bemüht. Nicht zuletzt, weil das Land als Partner in der Region gebraucht wurde. Von 2002 bis 2015 nutzte die Bundeswehr den Lufttransportstützpunkt in Termez für den Einsatz im Nachbarland Afghanistan.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2016
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