Süddeutsche Zeitung

Verteidigungspolitik:US-Kongress blockiert Truppenabbau in Deutschland

Lesezeit: 4 min

Demokraten und Republikaner einigen sich auf ein Haushaltsgesetz, das den Plänen von Noch-Präsident Donald Trump in mehreren Punkten widerspricht. Dieser hat allerdings ein Vetorecht.

Von Paul-Anton Krüger, München

Das Gesetz zum US-Verteidigungshaushalt ist 4500 Seiten stark. Ein Konvolut, in dem es um Geld für neue Waffensysteme geht, um Truppenstärken und auch Stützpunkte des US-Militärs rund um die Welt. Aber wie es bei Haushaltsgesetzen in den USA so üblich ist, können darin auch politische Entscheidungen verankert werden. Denn wer über das Geld bestimmt, kann es auch vorenthalten - und damit dem Präsidenten hineinregieren, der ansonsten in der Außen- und Sicherheitspolitik großen Handlungsspielraum hat.

Der Kongress hat von dieser Möglichkeit nun Gebrauch gemacht. Er legt sich mit Donald Trump auf eine Weise an, wie er es womöglich nicht gewagt hätte, wenn der Präsident für eine zweite Amtszeit bestätigt worden wäre. Innenpolitisch dreht sich die Schlacht zwischen dem Kapitol und dem Weißen Haus darum, ob Stützpunkte noch nach Generälen der Konföderierten Staaten von Amerika benannt werden, oder welchen rechtlichen Schutz Twitter und andere soziale Medien genießen sollen - nichts, was genuin mit Verteidigung zu tun hätte, sondern mit Trumps Wut über Warnhinweise, mit denen sie seine Äußerungen im Wahlkampf oft genug versehen hatten.

Auswirkungen hat das von beiden Parteien in beiden Kongresskammern mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Gesetz aber auch für Deutschland. Es blockiert den von Trump angeordneten Truppenabzug aus Deutschland zumindest für einige Monate und gibt damit seinem designierten Nachfolger Joe Biden die Möglichkeit, den Erlass rückgängig zu machen. Zwar hatten sich der Generalstab und das Pentagon gewunden, sicherheitspolitische Begründungen zu finden, um die von Trump angeordnete Verringerung des US-Kontingents von etwa 35 000 Soldaten auf höchstens 25 000 zu rechtfertigen. Doch war die Idee weder im Kongress noch beim Militär je populär.

Der Truppenabbau sollte eine politische Strafaktion sein

Trump machte ja auch keinen Hehl daraus, dass es ihm eigentlich um eine politische Strafaktion gegen Deutschland und die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel ging. Ihnen warf er vor, "säumige Zahler" zu sein, weil die Bundesrepublik von dem bei der Nato vereinbarten Ziel deutlich entfernt ist, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden. Deutschland wolle seine Sicherheit von den USA garantiert wissen und kaufe zugleich für Milliarden Gas beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, wetterte er.

Der Kongress dagegen befand nun, dass Deutschland ungeachtet der zu niedrigen Verteidigungsausgaben ein starker Nato-Verbündeter sei und die hierzulande stationierten Truppen als wichtige Abschreckung gegen Expansionsbestrebungen Russlands in Europa wirkten. Sie seien zudem von zentraler Bedeutung für die Unterstützung der US-Einsätze im Nahen Osten, in Afrika und in Afghanistan.

Und so erlegten die Parlamentarier dem Pentagon auf, vor einem Truppenabzug darzulegen, dass dieser im Interesse der nationalen Sicherheit sei und eine Abwägung aller Folgen vorzunehmen - einschließlich der Kosten. Auch setzte er eine Frist von 120 Tagen, die verstreichen müsse, bevor der erste Soldat in Bewegung gesetzt werden dürfte.

Erleichterung an den Standorten bricht sich Bahn

Betroffen von dem geplanten Abzug wären vor allem der Stützpunkt Vilseck in der Oberpfalz und der Fliegerhorst Spangdahlem in der Eifel gewesen. Zudem hatte Trump die Verlegung von Hauptquartieren aus der Region Stuttgart in andere europäische Länder oder zurück in die USA angeordnet. Das Militär hatte daraufhin mit den Planungen begonnen, aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass solche Verlagerungen im großen Stil normalerweise einen jahrelangen Vorlauf haben und auch Milliarden Dollar kosten. Es entstand nicht der Eindruck, dass immer mit dem von Trump geforderten Hochdruck an der Umsetzung der Entscheidungen gearbeitet wurde.

Im Gegenteil - in der Region Stuttgart, wo das Territorialkommando für Europa und auch jenes für Afrika angesiedelt sind, will das Pentagon mehr als 30 Millionen Euro investieren, um Wohnungen für Soldaten und Offiziere zu renovieren, weitere zehn Millionen sind für Balkone und Rollläden eingeplant, wie ein Sprecher des US-Militärs am Dienstag bekannt gab. Auch in Spangdahlem und Ramstein sind im Haushaltsentwurf weitere Investitionen in Infrastruktur im mittleren zweistelligen Millionenbereich vorgesehen.

In Deutschland brach sich Erleichterung Bahn, über Länder- und Parteigrenzen hinweg. "Natürlich freuen wir uns darüber, dass es anscheinend Einigkeit zwischen Republikanern und Demokraten in Washington gibt, dies alles noch einmal zur Disposition zu stellen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. "Amerikanische Soldatinnen und Soldaten sind in Deutschland willkommen. Ihre Präsenz trägt nicht nur zur deutschen Sicherheit bei, sondern sie stärkt die Sicherheit für ganz Europa und darüber hinaus", betonte er. Zu "gegebener Zeit" werde man mit der neuen US-Regierung über die Truppenpräsenz sprechen. Deutschland werde dabei deutlich machen, "dass wir zu unseren Zusagen stehen". Zu diesen Zusagen gehört auch die Annäherung an das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach von der Korrektur eines strategischen Fehlers. "Eine Rückabwicklung dieses Befehls wäre genau das richtige Signal für die transatlantischen Partnerschaft", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. "Wir würden uns freuen, wenn die amerikanischen Soldaten in Bayern bleiben."

Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeigte sich erfreut: "Ein Stopp des US-Abzugs wäre eine gute Nachricht für die Oberpfälzer Truppenübungsplatz-Region mit den Anrainer-Kommunen. Denn die US-Militärstützpunkte Vilseck, Hohenfels und Grafenwöhr generieren jedes Jahr eine zusätzliche Kaufkraft von rund 800 Millionen Euro für die Region."

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigte sich nach dem Votum im Kongress ebenfalls "zuversichtlich". Die Angehörigen der US-Streitkräfte seien Teil einer offenen, vielfältigen und toleranten Gesellschaft. "Wir teilen die gleichen Werte, und uns eint das Bekenntnis zu einer demokratischen Rechtsordnung. Deshalb: Wir waren, sind und bleiben gute Gastgeber für unsere amerikanischen Freunde."

Sein Kollege Roger Lewentz aus Rheinland-Pfalz, ein Sozialdemokrat sagte, die Landesregierung stehe nicht nur zur Präsenz der US-Soldatinnen und Soldaten, sondern wisse auch "um die strategische Bedeutung des amerikanischen Engagements auch in ihrem ureigenen Interesse in Deutschland". Er habe stets auf die Weitsicht führender amerikanischer Militärexperten in Senat und Repräsentantenhaus gesetzt.

Selbst die Republikaner scheinen bereit, ein Veto Trumps zu überstimmen

Nun ist längst nicht sicher, dass Trump das Haushaltsgesetz in der verabschiedeten Fassung unterschreiben wird - er hat wegen der konföderierten Generale und der Twitter-Geschichte mit einem Veto gedroht. Würde Trump dies einlegen, hätte das zudem wohl Auswirkungen auf die Stichwahl um die zwei Senatoren im Bundesstaat Georgia, wo die Republikaner am 5. Januar um ihre Mehrheit im Senat kämpfen müssen.

General Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs, bekräftigte zwar gerade erst bei einer Veranstaltung des US Naval Institute in Washington, er sei "kein Fan großer dauerhafter Übersee-Stützpunkte in anderen Ländern", allerdings bezog sich das vor allem auf die US-Truppen in Südkorea. Wie eine Ewigkeitsgarantie für die Stützpunkte in Deutschland klingt das nicht. Einen schnellen Abzug aber wird es voraussichtlich auch nicht geben: Der Kongress will das Haushaltsgesetz noch vor Jahresende beschließen. Und selbst die Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus sind offenbar bereit, ein Veto Trumps mit der nötigen Zweidrittelmehrheit zu überstimmen. Zumindest haben sie ihren Budgetentwurf mit entsprechenden Mehrheiten gebilligt.

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