Süddeutsche Zeitung

USA:Das hellere Amerika

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Erfahren, bewährt, gewissenhaft: Zum Abschluss des Demokraten-Parteitags versucht Hillary Clinton erneut, sich von Donald Trump abzusetzen, indem sie ihn als eine Art Fürsten der Finsternis darstellt.

Von Nicolas Richter, Philadelphia

Für den wichtigsten Auftritt ihres Lebens hat die erste weibliche Kandidatin für das Weiße Haus einen weißen Anzug mit weißen Knöpfen gewählt. Offensichtlich möchte sich Hillary Clinton allein damit schon absetzen von ihrem republikanischen Widersacher Donald Trump, dessen Anzüge so dunkel sind wie sein Bild von Amerika.

Es folgt ein Bekenntnis: In Jahrzehnten des public service, des Dienstes an der Öffentlichkeit, sei ihr der Dienst meist leichter gefallen als die Öffentlichkeitsarbeit. Das stimmt, denn Hillary Clinton ist eindeutig nicht Bill Clinton; sie ist mit dem talentiertesten Politiker ihrer Generation zwar verheiratet, besitzt aber nicht dessen natürliches, lässiges Kommunikationstalent, und übrigens auch nicht das von Barack oder Michelle Obama. Hillary Clinton hält zum Abschluss des Parteitags der Demokraten in Philadelphia denn auch nicht die beste Rede dieser Woche, aber immerhin eine solide - und das ist wohl schon der Kern ihrer Botschaft.

Clinton teilt den Tausenden Delegierten und den Millionen Fernsehzuschauern im Wesentlichen drei Dinge mit. Erstens: Amerika könne optimistisch sein, der Zustand des Landes sei viel besser, als es der Schwarzmaler Trump behaupte. Zweitens stehe sie, Hillary, für Miteinander, während Trump nur von sich rede. "Glaubt niemandem, der sagt: 'Ich allein kann es richten'", fordert sie. Drittens sei Trump erratisch und verantwortungslos, für das höchste Amt also ungeeignet. "Stellt ihn euch im Oval Office vor, wie er eine wirkliche Krise bewältigen muss. Einem Mann, der sich von einem Tweet reizen lässt, kann man keine Kernwaffen anvertrauen." Clinton hat ihre Botschaft ganz auf den Kontrast zu Trump ausgerichtet. Sie, die sonst die Grautöne der Politik liebt, die Einzelheiten, die feinen Unterschiede, sie wird nun zur Schwarz-weiß-Malerin: Trump ist unverantwortlich, ich bin immerhin erfahren, bewährt und ernsthaft.

In einem gewöhnlichen Jahr müsste das für einen haushohen Wahlsieg reichen, aber 2016 ist kein normales Jahr. Der Außenseiter Trump hat mit seinen Hasstiraden die republikanische Partei gekapert, und den Umfragen zufolge kann sich Clinton keineswegs sicher sein, ihn im November zu schlagen. Trump ist zwar überwiegend unbeliebt, aber neue Zahlen des Instituts Gallup legen nahe, dass Clinton genauso unbeliebt ist wie er. Eine Mehrheit der Amerikaner hält sie für unehrlich, was an echten Affären liegt und an solchen, die von der Opposition erfunden wurden. Manche finden sie zu ehrgeizig und emanzipiert, manche halten sie für unnahbar und gekünstelt, manche nehmen ihr die Nähe zu Großspendern übel oder das Ja zum Irak-Krieg.

Hillary Clinton gibt sich in ihrer Rede keine große Mühe, an alledem etwas zu ändern. "Ich verstehe, dass manche Leute nicht wissen, was sie von mir halten sollen", sagt Clinton, als wolle sie endlich enthüllen, was sie wirklich antreibt. Aber es folgen dann nur die üblichen biografischen Schnipsel, das Engagement für Kinder, Gesundheitsschutz, Frauen, Minderheiten. Hillary Clinton hat sich wohl damit abgefunden, dass die Amerikaner sie niemals innig lieben werden.

Aber das Gute an Trump liegt aus ihrer Sicht darin, dass sie auch gar nicht mehr geliebt werden muss. Es reicht, dass sie die Amerikaner von der Unfähigkeit Trumps überzeugt, das Land zu führen. Clinton erinnert also an all das, was sie schon geleistet hat, als First Lady, als Senatorin, als Außenministerin. Und sie erinnert daran, dass wenige, realistische Versprechen den Wählern am Ende mehr bringen als ein Bündel von Verheißungen, die nicht zu verwirklichen sind. Schon im Vorwahlkampf hat sie sich von ihrem Rivalen Bernie Sanders abgegrenzt, indem sie sich eine Fortschrittliche nannte, "die etwas bewegt".

Clintons größte Schwäche ist es, dass sie den Status quo verkörpert, weil sie so lange im Geschäft ist und die Politik von Präsident Obama fortsetzen würde. Das sind Nachteile in diesem Jahr, da das Publikum Abwechslung verlangt. Clinton wird während ihrer Rede daran erinnert, weil Fans des unterlegenen Bernie Sanders ständig dazwischenrufen. Clinton sagt, dass sie verstanden hat. Sie ist Sanders und seinen Fans hier und da entgegengekommen, sie lehnt das pazifische Freihandelsabkommen ab und kündigt an, dass ein Studium an öffentlichen Universitäten nichts mehr kosten soll.

Vor allem versichert Clinton, dass sie die Stimmung im Land erkannt hat. "Manche von euch sind frustriert, sogar wütend", sagt sie. "Und wisst ihr was? Ihr habt recht. Die Demokraten sind die Partei der Arbeiter. Und wir haben euch nicht genug gezeigt, dass wir verstehen, was ihr durchmacht. Wir werden das ändern." Es ist eine Botschaft für jene Demokraten aus der Arbeiterschicht, die im Herbst zu Trump überlaufen könnten. Clinton erinnert diese Wähler daran, dass Trump sie bereits verraten hat, weil er Krawatten und Anzüge seiner Marke im Ausland herstellen lässt. "Er sagt, dass er Amerika wieder großartig macht. Er sollte erst mal wieder Dinge in Amerika machen", sagt sie.

Die Amerikaner stehen jetzt nach den Parteitagen vor einem Schwarz-weiß-Gemälde. Es gibt das düstere, belagerte, gedemütigte Amerika, das Trump beschreibt und das er ganz allein retten will. Trump verspricht dem Land radikalen Wandel, wobei aber niemand weiß, wohin sich das Land wandeln soll. Und es gibt das hellere Amerika Clintons, das zwar nicht alle seine Probleme im Griff, aber Grund hat, optimistisch zu sein. Es ist ein Amerika, das große Risiken scheut, das sich mit dem Bewährten und Erprobten zufriedengibt. Und es ist ein Amerika, in dem sich Hillary Clinton um alle kümmern will, statt alle gegeneinander aufzubringen.

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SZ vom 30.07.2016
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