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USA:Alle gegen Sanders

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Der Senator aus Vermont ist für die anderen Präsidentschafts-Bewerber der Demokraten Dreh- und Angelpunkt ihrer Attacken - weil er das Feld anführt. Nun hofft Joe Biden auf die Wahl in South Carolina, Mike Bloomberg auf den Super Tuesday.

Von Hubert Wetzel, Washington

Wären die demokratischen Vorwahlen ein Fußballturnier, dann wäre Bernie Sanders der aktuelle Tabellenführer. Zwei Siege (New Hampshire, Nevada) und ein Unentschieden (Iowa) in den ersten drei Wettbewerben - das ist schlicht und einfach besser als alles, was seine Mitbewerber bisher abgeliefert haben.

Das war die Ausgangslage, als sich die sieben übrig gebliebenen Präsidentschaftsbewerberinnen und -bewerber der Demokraten am Dienstagabend in Charleston, South Carolina, zu ihrer zehnten Fernsehdebatte trafen. Und wie das bei solchen Veranstaltungen zu sein pflegt: Alle droschen auf den Führenden ein. Mike Bloomberg bezeichnete Sanders als den Wunschkandidaten der Russen. Pete Buttigieg nannte Sanders einen nostalgischen Altachtundsechzigerrevolutionär. Joe Biden schrie, dass er alles, was Sanders nur verspreche, als Vizepräsident schon geschafft habe. Amy Klobuchar und Tom Steyer sagten auch etwas. Und selbst Elizabeth Warren, Sanders' linksliberale Schwester im Geiste, die eigentlich deutlich lieber auf dem Milliardär Bloomberg herumhackt, fand einige kritische Worte über Bernie.

Ob das alles dazu beigetragen hat, Sanders "zu stoppen", wie es in den Medien immer heißt, ist zweifelhaft. Der Senator aus Vermont hat seine Wahlsiege ja errungen, obwohl oder gerade weil die Wähler wissen, was er will. Das mag für amerikanische Verhältnisse rundweg sozialistisches Teufelszeug sein - etwa eine staatliche Krankenversicherung -, aber das tut Sanders' Attraktivität offenbar keinen nennenswerten Abbruch.

Zumindest hat es von den vielen politisch gemäßigteren Kandidaten bisher niemand geschafft, eine ähnlich große und treue Anhängerschaft wie Sanders zu begeistern. Warum nicht - das zeigte die Debatte am Dienstag recht gut. Buttigieg versuchte, als eine Art weißer Barack Obama aufzutreten, wirkte aber eher wie ein streberischer Praktikant, der ganz viele gut klingende Phrasen auswendig gelernt hat. Biden versuchte, als der legitime politische Erbe Barack Obamas aufzutreten, dessen Vizepräsident er war. Aber das reicht halt nicht, selbst wenn man es wie Biden erst laut und dann noch lauter verkündet und dabei zornig die Augenbrauen zusammenzieht. Klobuchar wurde dabei erwischt, wie sie einmal "fuck" sagte, weil Biden sie nicht ausreden ließ. Steyer fiel vor allem deswegen auf, weil er wieder die Krawatte mit dem Schottenkaro trug.

Und Mike Bloomberg, der spät eingestiegene, selbstfinanzierte Nachzüglerkandidat, der die Demokraten vor einem Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders retten wollte? Er wirkte am Dienstag etwas sicherer, nachdem er seinen ersten Debattenauftritt vor einer Woche spektakulär verbockt hatte. Aber seine Botschaft an die Wähler ist eben nur: Ich bin märchenhaft reich, und ich kauf' euch das Ding. Und vielleicht traf Warren exakt den Punkt, als sie diagnostizierte, dass die demokratischen Kernwähler einem Wall-Street-Milliardär und ehemaligen Republikaner wie Bloomberg, der ein Sexismus- und ein Rassismusproblem mit sich herumschleppt, nie vertrauen würden.

Für Sanders ist es allerdings nicht so wichtig, ob andere Kandidaten sein Wahlprogramm attackieren. Stattdessen ist für ihn entscheidend, ob die Wähler noch kalte Füße bekommen. Gefährlich würde es für ihn, wenn entweder ein Teil seiner Anhänger von ihm abfällt oder die Bürger, die ihn nicht gewählt haben, sich um einen einzigen gemäßigten Gegenkandidaten scharen, anstatt ihre Stimmen wie bisher auf drei, vier oder fünf andere zu verteilen.

Doch wer dieser eine Anti-SandersKandidat sein soll, ist unklar. Biden hofft, dass er an diesem Samstag in South Carolina deutlich gewinnt und diesen Status dann für sich beanspruchen kann. Am Mittwoch gab einer der angesehensten schwarzen Politiker aus dem Staat, Jim Clyburn, eine Wahlempfehlung für Biden ab. Bloomberg will dagegen am kommenden Dienstag den Durchbruch schaffen, am "Super Tuesday", an dem in 14 Bundesstaaten gewählt wird. Aber damit Sanders die Führung verliert, müsste er bei diesen Wahlen schon sehr schlecht abschneiden. Das ist denkbar. Aber wie wahrscheinlich es ist, ist offen.

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SZ vom 27.02.2020
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