Süddeutsche Zeitung

US-Wahlen:Die Angstmacher

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Bei den Demokraten laufen die Vorwahlen auf Bernie Sanders zu. Ist er der Richtige gegen Donald Trump? Am Ende siegt womöglich der Kandidat, der es schafft, den Amerikanern mehr Angst einzujagen.

Von Hubert Wetzel

Um die Zukunft einschätzen zu können, hilft es manchmal, sich die Vergangenheit anzusehen. Also: Blick zurück zum Jahresanfang 2016. Vor vier Jahren stand Donald Trump im Vorwahlkampf der Republikaner ungefähr da, wo Bernie Sanders jetzt bei den Demokraten steht - guter Zweiter in Iowa, Sieger in New Hampshire, Sieger in Nevada. Das hieß nicht zwangsläufig, dass Trump der republikanische Präsidentschaftskandidat sein würde. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er es wird, war nach diesen Erfolgen weit größer als die Wahrscheinlichkeit, dass er es nicht wird.

Das gilt jetzt auch für Sanders. Es gibt zwar auch nach Nevada keine Garantie für ihn, dass er der Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden wird. Aber es ist durch seinen klaren Sieg dort sehr viel wahrscheinlicher geworden. Wenn die Dominosteine erst einmal fallen, dann sind sie kaum noch aufzuhalten.

Es gibt - bei allen politischen Unterschieden - eine zweite Parallele zwischen Trump und Sanders: Damals wie heute gewinnt der Bewerber, der mit dem radikalsten Programm und der härtesten Rhetorik antritt. Trump ist 2016 über die anderen republikanischen Kandidaten hinweggewalzt. Er hat gesehen, dass viele republikanische Wähler die eigene Parteiführung verachten. Ihnen hat er sich als Anführer einer Meuterei angeboten.

Bei den Demokraten ist die Lage ähnlich. Es gibt in der Partei zwar eine spürbare Angst davor, sich eine Mistgabel zu greifen und hinter dem sozialistischen Revolutionär Sanders her in den Kampf gegen "das Establishment" oder "das System" zu stürmen, zu dem auch die eigenen Parteioberen zählen. Was ist, wenn wir den Falschen nominieren und dadurch Trump zur Wiederwahl verhelfen? Diese Frage stellen sich viele Demokraten voller Panik, und deswegen sind sie wild zwischen Elizabeth Warren, Joe Biden, Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und Mike Bloomberg hin und her gependelt.

Aber mit Grübeleien und Selbstzweifeln gewinnt man keine Wahlen. Sanders und seine Anhänger wurden davon jedenfalls nie geplagt, ebenso wenig wie Trump und seine Fans vor vier Jahren. Und ohnehin scheinen die Zeiten im rechten wie im linken Lager ja so zu sein, dass Radikalität und Populismus die eigenen Wähler mehr motivieren als Zurückhaltung, Vernunft und Realitätssinn. Die politische Mitte zerbröselt. Davon profitiert Sanders.

All das beantwortet nicht die Frage, die viele Demokraten zu Recht stellen: Ist Sanders der richtige Kandidat gegen Trump? Man muss angesichts dessen, was Donald Trump 2016 gelungen ist, mit Prognosen wohl vorsichtig sein. Vielleicht kann man es so sagen: Sanders' dezidiert linkes politisches Programm ist in jenen Bundesstaaten, in denen die Wahl entschieden werden wird, vermutlich weniger mehrheitsfähig als Trumps dezidiert rechtes Programm es vor vier Jahren war. Amerika ist nun einmal nicht Schweden.

Aber es könnte auch gut sein, dass politische Programme bei der Wahl im November zweitrangig sein werden. Dass am Ende der Kandidat siegt, der es schafft, den Amerikanern mehr Angst einzujagen. Fürchtet euch, denn eure Welt geht unter, wenn die andere Seite gewinnt - das wird zu einem guten Teil die Botschaft sein, mit der die Kandidaten in den Wahlkampf gehen werden. Das tut dem Land nicht gut, weil es die Risse in der Gesellschaft verbreitert. Egal, wer dann gewinnt - Amerika wird bei dieser Wahl verlieren.

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SZ vom 24.02.2020
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