Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Gratulation und ein Versprechen

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Kanzlerin Merkel erinnert daran, dass Europa stärker für seine eigene Sicherheit sorgen muss.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es war ein kollektiver Stoßseufzer, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag noch einmal in Worte fasste. Sie gratuliere Joe Biden "ganz herzlich" zu seiner Wahl zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, sagte Merkel bei einem eigens angesetzten Pressetermin im Kanzleramt. Dabei beließ es Merkel nicht, sie gab auch ein Versprechen ab. "Amerika ist und bleibt unser wichtigster Verbündeter. Aber es erwartet von uns - und dies zu Recht ‑ stärkere eigene Anstrengungen, um für unsere Sicherheit zu sorgen und in der Welt für unsere Überzeugungen einzutreten, und wir Europäer haben uns ja längst auf diesen Weg gemacht", sagte sie. Ähnlich klang Außenminister Heiko Maas (SPD). Deutschland habe sich wie die anderen in der Nato verpflichtet, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. "Daran werden wir uns halten, darauf kann man sich verlassen", sagte er im Deutschlandfunk.

So einig wie es bei Merkel und Maas klingt, sind sich die Koalitionäre allerdings nicht darüber, was für Deutschland aus der Präsidentschaft Bidens folgt. "Wir müssen als Deutschland und Europa unsere Hausaufgaben machen und die Balance der transatlantischen Partnerschaft neu justieren", forderte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt. Deutschland müsse mehr in Verteidigung investieren "und darüber hinaus bereit sein, ein höheres Risiko in der Welt zu übernehmen, etwa beim Kampf gegen Terrorismus in Afrika".

Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato bleibt dem SPD-Fraktionschef auch unter einem Präsidenten Biden suspekt

Sehr viel zurückhaltender reagierte hingegen der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. "Wir haben das Ziel, dass die Bundeswehr die Ausrüstung bekommt, die sie braucht", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Auf unserer Seite besteht aber der Zweifel daran fort, die Ausgaben für die Bundeswehr an einer bestimmten willkürlich festgelegten Prozentzahl festzuschreiben", betonte er. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, auf das Präsident Donald Trump so vehement gepocht hatte, bleibt Mützenich auch unter einem Präsidenten Biden suspekt. Forderungen aus der Union, Biden nun mehr entgegen zu kommen, erteilte er eine Absage: "Hilfreich wäre es, wenn die Verteidigungsministerin zunächst mal alles dafür tut, dass Rüstungsprojekte wie die des schweren Hubschraubers auf eine richtige Entscheidungsgrundlage gestellt werden." Die Diskussion über das Zwei-Prozent-Ziel bleibe für ihn "der Tanz ums goldene Kalb".

In der Union hatte Mützenich Empörung ausgelöst, weil er direkt nach der US-Wahl - und vor der Verkündung des Sieges von Biden - über eine "Abkoppelung" von den USA gesprochen hatte. "Unverantwortlich, abenteuerlich" und in den "Konsequenzen auch völlig undurchdacht" hatte das Vize-Fraktionschef Johann David Wadephul genannt. Eine stärkere Souveränität Europas werde von der Biden-Administration und von Teilen der CDU/CSU ja selbst verlangt, sagte Mützenich dazu nun. Außerdem blicke die Biden-Administration stärker in Richtung Asien. "Unterschiedliche Interessenschwerpunkte gebe "es seit eh und je, und die Emanzipation Europas ist etwas, das längst stattfindet".

Die EU solle für einen Neustart einen transatlantischen Green Deal anbieten, sagen die Grünen

Auch mit Biden muss sich Deutschland nach Mützenichs Auffassung auf Konflikte einstellen, insbesondere, wenn es um China geht. Grundsätzlich halte er es für richtig, die Partnerschaft mit Peking zu suchen, aber China auch als "systemischen Rivalen" zu erkennen. Es dürfe aber nicht verkannt werden, dass die USA "die hegemoniale Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China im Auge haben und bei der militärischen Einhegung auch immer wieder nach Partnern Ausschau halten". Das werde "in Europa wahrscheinlich nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, auch in Deutschland nicht". Vor allem könne es zu "größeren Belastungen" führen, wenn die neue US-Regierung die Nato als Teil solcher Überlegungen sehen sollte. Es gelte: "Eine weltweite Zuständigkeit lehnen wir definitiv ab."

Auch aus der Opposition kam die Forderung, nun die Souveränität Europas in Bereichen wie Sicherheit und Digitalisierung voranzutreiben. "Die EU sollte jetzt für einen Neustart der Beziehungen einen transatlantischen Green Deal anbieten und die eigene strategische Souveränität voranbringen", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, der SZ.

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