Süddeutsche Zeitung

Urteil in Österreich:14-jähriger IS-Unterstützer muss ins Gefängnis

Lesezeit: 2 min

Von Oliver Das Gupta

Haftstrafe für 14-jährigen IS-Unterstützer

Der Stuhl, auf dem der Angeklagte Mertkan G. sitzt, ist zu groß. Neben ihm haben sich bewaffnete Sicherheitsleute niedergelassen, ihre Blicke fixieren ihn.

G. hat das meiste zugegeben, was man ihm vorwirft: Kontakt hat er gesucht zu Leuten von der Terrormiliz "Islamischer Staat". Er wollte zum Kämpfen nach Syrien.

Vor seiner Reise in den Krieg plante er noch ein monströses Verbrechen: Eine Bombe wollte er bauen, er suchte nach entsprechenden Bauanleitungen im Internet. Als möglichen Schauplatz dachte er an einen Ort, wo es nur vor Menschen wimmelt: Wien-Westbahnhof. 25 000 Euro wollte ihm der IS für den Anschlag angblich zahlen.

Der Angeklagte, der mit seinem Kapuzenpulli vor dem Landgericht St. Pölten sitzt, ist noch ein Kind: 14 Jahre, demnächst 15. Mertkan G. ist Schüler in Österreich, geboren ist er in der Türkei.

Die Justiz in der niederösterreichischen Landeshauptstadt urteilt: Zwei Jahre Haft, nach acht Monaten unter strengen Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Es hätten auch fünf Jahre Gefängnis sein können.

Die Vita des Jungen ähnelt der vieler irrlichternder Altersgenossen. Scheidungskind, Probleme mit der alleinerziehenden Mutter. Trotz durchschnittlicher Intelligenz besuchte Mertkan nur eine Sonderschule, seine Freunde gingen auf eine höhere Schule. Er suchte nach Anerkennung, sagt der Staatsanwalt. G. findet sie im sunnitischen Islam, und das, obwohl er aus einer alevitischen Familie stammt.

Sowohl der Schule als auch der Mutter fiel die zunehmende Radikalisierung des Kindes auf. Die Schule war es auch, die von der Bombenbau-Recherche Kenntnis bekam und im Herbst 2014 Anzeige erstattete. Der Verfassungsschutz befragte ihn, er redete freimütig über seine kruden Vorhaben.

Abgetaucht mit einem Zwölfjährigen

Aus der Untersuchungshaft ließen die Ermittler ihn gehen, allerdings musste er sich zweimal die Woche bei seinen Bewährungshelfern melden. Im Januar 2015 kam Mertkan G. von der Schule nicht nach Hause, die Mutter meldete sich sofort bei den Behörden.

Wenig später wurde er in Wien aufgegriffen, in einem Fast-Food-Lokal nahe des Westbahnhofs. Mit dabei war ein Zwölfjähriger aus Afghanistan, den er wohl rekrutieren wollte. Seitdem saß M. in Haft.

Die Öffentlichkeit ist von dem Prozess ausgesperrt, allerdings erst nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Vier Stunden dauert er insgesamt. Die Anklage findet, der Junge habe weder Reue noch Schuldbewusstsein gezeigt, die Prognose sei "ungünstig".

Die Mutter sagt, man habe seine Orientierungslosigkeit ausgenutzt

Anders der Rechtsanwalt des Angeklagten, der von bloßen "Gedankenspielen" spricht. Der Rechtsbeistand ist "vorsichtig optimistisch" und glaubt an eine Läuterung. Mertkan G. sei einer Propagandamaschinerie erlegen, sagt er.

Das Gericht gibt dem dem jungen Möchtegern-Dschihadisten noch eine Chance. Zugute hält es ihm sein Geständnis. Und dass er bis zum Herbst nicht auffällig geworden war.

Seine Mutter sagte im Februar, Mertkan sei nicht böse. Er sei "verblendet worden von Menschen, die seine Schwäche und Orientierungslosigkeit ausnutzten".

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