Süddeutsche Zeitung

Unruhen in Iran:Opposition: 69 Tote bei Protesten

Lesezeit: 2 min

Während die Regierung Irans darauf beharrt, dass bei den Demonstrationen nicht mehr als 30 Menschen gestorben sind, präsentiert die Opposition andere Zahlen.

Bei den Protesten nach der Präsidentenwahl in Iran sind nach Angaben der Opposition mindestens 69 Menschen ums Leben gekommen. "Wir haben dem Untersuchungsausschuss des Parlaments am Montag eine Liste mit den Namen von 69 getöteten und 220 festgenommenen Personen überreicht", sagte Ali Resa Beheschti, ein Berater von Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi, der Nachrichtenagentur AP.

Auf der Liste befänden sich Personen aus dem ganzen Land, deren Namen von den Angehörigen gemeldet worden seien. Noch immer kämen weitere dazu. Nach offiziellen Regierungsangaben soll es nicht mehr als 30 Tote bei den Demonstrationen gegeben haben.

Menschenrechtsgruppen vermuten jedoch eine weitaus höhere Opferzahl. Der Opposition zufolge üben die Behörden Druck auf Familienangehörige aus, nicht öffentlich um ihre Toten zu trauern. Die Regierung wolle vermeiden, dass sich bei solchen Veranstaltungen spontane Demonstrationen bildeten.

Auch Mussawi soll der Prozess gemacht werden

Ein Justizsprecher sagte, von den 4000 ursprünglich festgenommenen Personen seien nur noch 300 in Haft. Sowohl das Parlament als auch die Justiz haben Ausschüsse gebildet, die die Proteste und die Reaktion der Regierung untersuchen sollen.

In Frankreich wächst indes die Hoffnung auf eine baldige Freilassung der seit Anfang Juli inhaftierten Clotilde Reiss. Man rechne mit einer raschen Lösung, sagte Regierungssprecher Luc Chatel dem Sender RTL. Präsident Nicolas Sarkozy hatte am Vorabend mitteilen lassen, er habe Kontakt zu mehreren möglichen Vermittlern aufgenommen.

"Clotilde Reiss ist unschuldig und Opfer eines Schauprozesses", sagte der Regierungssprecher. "Wir fordern weiterhin die Freilassung." Die Beziehungen zwischen Iran und Frankreich sind wegen des Prozesses stark angespannt.

Der 24-jährigen Sprachlehrerin wird Spionage und die Unterstützung der Proteste vorgeworfen, die nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 12. Juni ausgebrochen waren. Sie bekannte sich nach iranischen Angaben schuldig.

Bei dem Massenprozess gegen mehr als 100 Oppositionsanhänger sitzen auch ehemalige Regierungsmitglieder sowie iranische Mitarbeiter der französischen und britischen Botschaften auf der Anklagebank. Einigen Angeklagten wird auch Verschwörung zum Umsturz des islamischen Systems vorgeworfen. Ihnen droht deshalb die Todesstrafe.

Der schwedische Außenminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Carl Bildt erklärte am Dienstag in Stockholm, die Europäische Union sei bereit, "weitere Schritte" zu unternehmen, um die Freilassung der Französin und der Botschaftsmitarbeiter zu erreichen. Einzelheiten nannte er nicht. Am Vortag hatte Bildt den iranischen Botschafter einbestellt und gegen das Vorgehen protestiert. Iran hat die Kritik aus dem Ausland zurückgewiesen.

Ausreiseverbot für Chatami

Unterdessen wurden Rufe lauter, auch dem iranischen Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi den Prozess zu machen. Die Opposition erkennt den Wahlsieg des ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad nicht an und spricht von Betrug.

Iranischen Medien zufolge warf der Abgeordnete Mohammed Karim Shaharsad Mussawi vor, dessen Wahlkampfbüro habe Kontakte zu ausländischen Botschaften gehabt. Am Sonntag hatte bereits der Vize-Chef der Revolutionsgarden, Jadollah Dschwani, gefordert, Mussawi wegen Verschwörung zum Sturz der Regierung vor Gericht zu stellen. Ein Sprecher Mussawis wies die Vorwürfe zurück.

Mussawi, dessen ebenfalls unterlegener Mitbewerber Mehdi Karrubi sowie die ehemaligen Präsidenten Mohammed Chatami und Akbar Haschemi Rafsandschani, die die Reformkandidaten unterstützt hatten, bilden seit der Wahl die vier führenden Köpfe der Opposition. Angesichts von Gerüchten, der gemäßigte Kleriker Chatami wolle politisches Asyl im Ausland suchen, riefen Parlamentarier auch dazu auf, ihm zu verbieten, das Land zu verlassen.

Der einflussreiche Geistliche und ehemalige Präsident Akbar Rafsandschani kündigte überraschend an, dass er in dieser Woche nicht wie geplant das Freitagsgebet sprechen werde. Damit sollten erneute Zusammenstöße zwischen Regierungskritikern und der Polizei verhindert werden. Nach seinem letzten Freitagsgebet Mitte Juli, bei dem Rafsandschani die politische Führung ungewöhnlich scharf kritisiert hatte, waren die Proteste der Oppositionsbewegung aufgeflammt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.171362
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/Reuters/AFP/AP/woja/mikö
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.