Süddeutsche Zeitung

UN-Vollversammlung:"Verrückter Hund des Nahen Ostens"

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Der Sicherheitsrat müsse Terrorrat heißen: Vor der UN-Vollversammlung wütete der libysche Revolutionsführer Gaddafi und zerriss die UN-Charta.

Moritz Koch

Der frühere US-Präsident Ronald Reagan hatte Muammar el-Gaddafi einmal den "verrückten Hund des Nahen Ostens" genannt, und als der libysche Revolutionsführer am Mittwoch zum ersten Mal in seiner 40-jährigen Regentschaft das UN-Gebäude in New York betrat, gab sich er sich alle Mühe, dieser Einschätzung gerecht zu werden.

Es begann mit einer Schmiererei. Libyen leitet in diesem Jahr die Generalversammlung, und so ließ sich Gaddafi den Platz des Vorsitzenden zeigen, zückte einen Stift und kritzelte in Englisch und Arabisch: "Wir sind hier".

Radikal, wirr, lang

Und damit diese Botschaft verbreitet wird, meldete die staatliche libysche Nachrichtenagentur: "Der Bruder Revolutionsführer und Vorsitzende der Afrikanischen Union wird der Generalversammlung der Vereinten Nationen radikale Lösungen vorschlagen, die diese Organisation in ihren Grundfesten erschüttern werden." Radikal war Gaddafis Rede tatsächlich, vor allem aber wirr und lang.

Zunächst schwafelte Gaddafi über den "kapitalistischen Niedergang" und die Herstellung des "Schweinegrippe-Virus in Militärlabors". Dann kam er zur Sache. Er zückte die UN-Charta, fuchtelte wild damit umher, und redete sich in Rage. "In der Präambel heißt es, dass alle Staaten gleich sind, ob groß oder klein", sagte er. Doch das sei eine Lüge. Die Mächte des Sicherheitsrats beherrschten die Völkergemeinschaft. Eine Diktatur sei das, zürnte der Diktator, während der das Deckblatt der Charta zerriss. "Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen, er sollte Terrorrat heißen."

Schon vor der Rede war es zum Eklat gekommen. Im Plenum herrschte Unruhe, Delegierte verließen den Saal. Gaddafi konnte seine Rede erst mit einer Viertelstunde Verspätung beginnen.

Anklage gegen Europa

Sichtlich erbost nutzte seinen Auftritt für eine Anklage gegen Europa. Kolonialisten hätten die Welt geplündert, Ressourcen und Menschen gestohlen. "7,77 Billionen" schuldeten sie allein den Afrikanern. Es blieb unklar, von welcher Währung Gaddafi sprach, der sich seit langem als "König aller Könige Afrikas" aufspielt.

Lob hatte der international wegen seiner Terrorverwicklungen einst geächtete Libyer für Barack Obama übrig. Der US-Präsident sei "ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten". "Wir wären glücklich, wenn Obama für immer Präsident von Amerika bleiben könnte." Schließlich beklagte sich Gaddafi über seinen Jetlag und schlug vor, den Sitz der UN zu verlegen. New York sei zu weit weg und nicht sicher. Vielleicht würde die Stadt auch eines Tages von Raketen getroffen.

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SZ vom 24.09.2009
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