Süddeutsche Zeitung

Uganda:Paranoia und Gewalt

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Im einstigen Musterstaat Ostafrikas klammert sich Yoweri Museveni an die Macht. Dutzende Menschen sind im Wahlkampf schon gestorben, weil der alte Präsident seinen jungen Herausforderer, den Rapper Bobi Wine, fürchtet.

Von Anna Reuß, München

Er trägt jetzt kugelsichere Weste, die Faust kampfbereit in die Luft gereckt. Bobi Wine, der vor 38 Jahren als Robert Kyagulanyi Ssentamu in einem armen Stadtteil Kampalas geboren wurde und sich "Ghetto-Kind" nennt, weiß sich zu inszenieren - vor allem in sozialen Netzwerken.

Ein Video, das der bekannte Musiker und Präsidentschaftsanwärter in Uganda am Mittwoch auf seinem Twitter-Kanal postete, zeigt, wie er aufgebracht auf eine andere Person einredet. Sie ist in dem Ausschnitt nicht zu sehen, doch laut Wine soll es ein Offizier des Militärs gewesen sein. Plötzlich ist ein lauter Schuss zu hören. Die Bilder sollen zeigen, wie der Politik-Popstar vom Staat gegängelt wird. Zuvor hatten Polizisten Gummigeschosse auf Anhänger und Personenschützer geschossen. Sie seien dem Tod von der Schippe gesprungen, sagte Wine. "Unser Verbrechen ist der Wahlkampf."

In Kampala wird im Wahlkampf scharf geschossen

Das 35 Jahre alte Regime sei "paranoid". Es gehe gegen alle vor, ausländische Journalisten, NGOs. So klagt Bobi Wine. Vor allem aber attackiert Präsident Yoweri Museveni politische Herausforderer, die ihm gefährlich werden könnten. Gut einen Monat vor den Wahlen erlebt Uganda die schlimmste Gewalt seit Jahren.

Vergangenen Monat war Wine kurzzeitig verhaftet worden, wieder einmal. Kurz zuvor hatte er offiziell seine Kandidatur bekannt gegeben. Er wurde beschuldigt, gegen die Pandemie-Maßnahmen verstoßen zu haben. Doch seine Fans wollten die Kampagne gegen ihr Idol nicht hinnehmen, sie zündeten Reifen an und bewarfen Soldaten und Polizisten mit Steinen; diese reagierten mit Tränengas. In den folgenden Tagen erschossen Sicherheitskräfte mindestens 30 Menschen.

Der Rapper macht die Machtelite um das Staatsoberhaupt Museveni seit Jahren nervös: Mit seinem Markenzeichen, dem roten Barett, das er ein "Symbol des Widerstands" nennt, und mit seiner Musik über soziale Ungleichheit, holt er viele perspektivlose Ugander ab. In dem ostafrikanischen Land sind fast 80 Prozent der Menschen jünger als 25. Sie kennen kein anderes Staatsoberhaupt als Museveni, der 1986 mit der Waffe in der Hand an die Macht gekommen war.

Seine Aussage von damals, "Anführer, die sich an die Macht klammern", seien "das Problem Afrikas", ist legendär. Denn Museveni hält sich nicht an seine einstigen Ideale: Demonstranten schmäht er als "Rowdys" und Amtszeitbegrenzungen hebelte er aus. Um bei der Wahl im Januar nochmal antreten zu können, ließ er die Verfassung ändern. Die sah vor, dass ein Präsidentschaftsanwärter höchstens 75 Jahre alt sein durfte. Museveni ist 76.

Der Rapper ist sehr beliebt, aber wohl chancenlos

Die Jugend begehrt gegen diese Kleptokratie auf. Ihr Protest ist eng mit der Person Bobi Wines verknüpft. Für den Machtzirkel um Präsident Museveni ist das längst ein Problem. Vor zwei Jahren gewann Wine bei den Parlamentswahlen mit 80 Prozent der Stimmen den Sitz in seinem Wahlbezirk, Jugendliche auf Motorrädern eskortierten ihn. Als Abgeordneter der Opposition konnte er sich profilieren. Seit dem Wahlkampf damals wurde er immer wieder willkürlich verhaftet und war Ziel von Anschlägen. 2018 wurde Wines Fahrer erschossen - die Kugel galt wohl ihm selbst.

Trotz seiner Beliebtheit hat der Oppositionelle kaum Chancen, tatsächlich Präsident zu werden. Eine Analyse im Magazin African Arguments kommt zu dem Schluss, dass Museveni "Strategien perfektioniert" habe, um zu gewinnen. Dazu gehörten auch die wiederholten Verhaftungen Wines. Die Staatsgewalt wolle Anhänger der Opposition ermüden, ihren Widerstand untergraben. Museveni und die Regierungspartei NRM ließen zwar Oppositionelle verhaften - doch immer nur in einem Ausmaß, dass es im Ausland noch ignoriert werden könne.

Uganda gilt in vielen europäischen Hauptstädten als Stabilitätsanker und als eine der Muster-Demokratien Afrikas. Auf allen Seiten ist das Interesse groß, dass das so bleibt. Zudem haben die Proteste noch nicht die ugandische Mittelschicht erfasst, anders als etwa im Sudan 2019. Ein Sieg Musevenis bei den Wahlen 2021 ist wahrscheinlich, zumal viele befürchten, er würde die Macht nur auf dieselbe Weise abgeben, wie er sie einst erlangte: mit Gewalt.

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