Süddeutsche Zeitung

Türkei:Tage des Terrors

Präsident Erdoğan stürzt sein Land kalkuliert ins Chaos.

Von Mike Szymanski

In Istanbul dürften die Menschen jetzt auch mitbekommen haben, dass sich ihr Land im Krieg befindet. In der Metropole spürte man bislang wenig davon. Doch am Montag erschütterten gleich mehrere Anschläge die Stadt. Erst ging eine Autobombe vor einer Polizeistation hoch, dann kam es zu Schießereien. Auch das US-Konsulat wurde zur Zielscheibe. Rechnet man die Sprengfalle im südosttürkischen Şırnak mit ein, so kostete dieser Terrortag mindestens neun Menschen das Leben.

Es wird schon unübersichtlich, wer in der Türkei gegen wen kämpft: Linksextremisten sind am Werk, die verbotene pro-kurdische Arbeiterpartei PKK, die Fanatiker des Islamischen Staates (IS). Im Moment scheint wirklich jeder den Finger am Abzug zu haben. Das ist das Klima in der Türkei zurzeit.

Es ist kein Zufall, dass das Land in Gewalt versinkt, nachdem die Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei der Parlamentswahl Anfang Juni die absolute Macht verloren hat. Er will sie mit allen Mitteln zurückholen. Und Krieg zu führen erscheint ihm dabei nur legitim. Sein perfides Kalkül: Ein Land im Chaos wird sich schon wieder seine AKP zurückwünschen. Die kann zwar nicht Demokratie, aber es herrschte unter ihrer Alleinherrschaft keine Gewalt. Zwei Wochen bleiben Erdoğan noch, um eine neue Regierung zu bilden. Sonst kommen Neuwahlen - und der Terror geht weiter.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2602058
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.