Süddeutsche Zeitung

Türkei:Preis für die Freilassung

Wie die wahre diplomatische Herausforderung für Merkel und Gabriel aussieht.

Von Nico Fried

In ihrer Türkei-Politik erinnert Angela Merkel auf den ersten Blick an Mark Rutte. Der niederländische Premierminister hatte kurz vor seiner Wahl Auftrittsverbote gegen türkische Politiker verhängt. Die ruppige Gangart dürfte Rutte entscheidende Punkte im Ringen mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders gesichert haben. Kurz vor der Bundestagswahl hat nun die Kanzlerin angekündigt, Verhandlungen der EU mit der Türkei über die Zollunion zu blockieren. Merkel im holländischen Modus?

Nicht ganz. Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara leidet nicht nur besonders stark unter den Festnahmen deutscher Staatsbürger in der Türkei. Vor allem leidet es schon besonders lange, weil die Bundesregierung insgesamt - also Union und SPD, Kanzlerin und Außenminister - mit Geduld und Dialog versucht haben, Präsident Erdoğan friedfertiger zu stimmen. Vergeblich.

Es ist richtig, den Druck zu erhöhen. Aber es ist wichtig, dass sich Union und SPD nicht aus Wahlkampfgründen zu immer mehr Härte anstacheln. Niemals wird Erdoğan die Deutschen erkennbar als Reaktion auf Sanktionen freilassen. Die wahre diplomatische Herausforderung liegt darin, in Ankara eine politische Wende zu erzwingen, die aussieht wie eine weise Entscheidung der türkischen Justiz. Die Gesichtswahrung Erdoğans ist ein Preis, der für die Freilassung Unschuldiger in Kauf zu nehmen wäre.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2017
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