Süddeutsche Zeitung

Türkei:Özdemir: Hilfe für Türkei nur unter Bedingungen

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Der ehemalige Grünen-Chef Cem Özdemir unterstützt die Forderung aus der Union, wonach Deutschland der durch eine Währungskrise geschwächten Türkei nicht ohne Bedingungen finanziell helfen solle. Er sei nicht der Meinung, man solle die Türkei kollabieren lassen. Özdemir sprach sich dafür aus, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich mit der Türkei beschäftige. Hilfe für das Land müsse zwingend an Forderungen gebunden sein, unterstrich er.

Zuerst müsse der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Unabhängigkeit der Zentralbank wiederherstellen und das "Wirtschaftsmodell Hütchenspieler reformieren", sagte Özdemir. Erdoğan müsse zudem "alle aus dem Gefängnis entlassen, die dort nicht hingehören", und endlich Rechtssicherheit in der Türkei schaffen.

CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt hatte sich zuvor ähnlich geäußert. Die Ursache für die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei seien "die fahrlässigen Äußerungen" des türkischen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Rechtsstaatlichkeit, sagte Hardt der Rheinischen Post. "Wenn Erdoğan diese Haltung nicht grundsätzlich ändert, machen Wirtschaftshilfen keinen Sinn, dann wäre das vergeudetes Geld", sagte Hardt. Deutschland habe jedoch ein Interesse an einer starken Türkei - "aus politischen und ökonomischen Gründen".

Kritische Töne kamen auch von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Es sei nicht Aufgabe Deutschlands, der Türkei unter die Arme zu greifen, sagte er. "Das ist die Aufgabe - wenn - des Währungsfonds, des IWF, der ist dafür da. Und ich glaube, zu allererst ist Handlungsbedarf in Ankara. Nicht in Berlin und nicht in Brüssel."

SPD-Chefin Andrea Nahles hatte vor dem Hintergrund der Währungskrise in der Türkei deutsche Hilfen ins Gespräch gebracht. Es könne eine Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen müsse - unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Erdoğan, sagte Nahles. Es sei im Interesse von allen, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibe, begründete sie ihre Initiative.

Gabriel: müssen Türkei im Westen halten

Unterstützung erhielt Nahles vom ehemaligen SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel. "Wir müssen im eigenen Interesse alles tun, um die Türkei im Westen zu halten", sagte Gabriel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die USA tun jetzt etwas, was man nach meiner Meinung unter Nato-Partnern nicht tun darf: Sie wenden Sanktionen an und versuchen, ein ohnehin wirtschaftlich angeschlagenes Land über die Klippe zu schieben." Gabriel hält eine immer stärker isolierte Türkei offenbar für gefährlich. "Ich fürchte, früher oder später werden in der Türkei nationalistische Kräfte - ebenso wie im Iran und Nordkorea - nach der Atombombe greifen, um sich unangreifbar zu machen."

Nachdem die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei lange Zeit stark belastet waren, mehren sich die Zeichen einer Entspannung. So wurde in der Nacht auf Montag überraschend bekannt, dass die deutsche Journalistin Meşale Tolu die Türkei verlassen darf. Ihren Unterstützern zufolge hat ein Gericht die gegen sie verhängte Ausgangssperre aufgehoben. Tolu wird bald in Deutschland erwartet.

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