Süddeutsche Zeitung

Türkei:Menschenrechtsgericht verlangt Freilassung von Kurdenpolitiker Demirtaş

Lesezeit: 1 min

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat von der Türkei die schnellstmögliche Freilassung des Kurdenpolitikers Selahattin Demirtaş verlangt. Die Untersuchungshaft gegen den früheren Vorsitzenden der prokurdischen HDP sei ein "unrechtmäßiger Eingriff in die freie Meinungsäußerung des Volkes", urteilte das Straßburger Gericht am Dienstag. Seine Inhaftierung sei zudem ein Eingriff in das Recht des Oppositionspolitikers, gewählt zu werden und sein Mandat in der Nationalversammlung auszuüben.

Zwar habe für die Verhaftung ein begründeter Verdacht bestanden, doch sei die Länge der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt, hieß es. Die Verlängerung der Untersuchungshaft von Demirtaş über die Präsidentschaftswahl im Juni hinaus diene dem Ziel, "den Pluralismus zu ersticken und die Freiheit der politischen Debatte zu begrenzen", kritisierte das Gericht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wies die Entscheidung des Gerichtshofs für Menschenrechte zurück. Dessen Urteile seien für die Türkei "nicht bindend", erklärte Erdoğan laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Wir werden zurückschlagen und einen Schlusspunkt hinter diese Angelegenheit setzen", fügte er hinzu, ohne näher auszuführen, was konkret er beabsichtigt.

Demirtaş ließ über seine pro-kurdische Partei HDP aus dem Gefängnis im westtürkischen Edirne mitteilen, es sei bedauerlich, dass Erdoğan die Gerichtsentscheidung nicht anerkennen wolle. Es zeige, dass dieser Justiz, Gesetz und die Verfassung nicht anerkenne. Das Urteil habe bestätigt, dass er als "politische Geisel" gehalten werde, sagte Demirtaş. Es belege zudem, dass die türkischen Gerichte - inklusive das Verfassungsgericht - Rechtsverletzungen begangen hätten.

Seit zwei Jahren in U-Haft

Demirtaş war bei der türkischen Präsidentschaftswahl als Kandidat für die HDP angetreten, obwohl er im Gefängnis saß. Mit 8,4 Prozent der Stimmen holte er den dritten Platz. Das Urteil des Menschenrechtsgerichts gilt als juristische Schlappe für die türkische Regierung. Sie ist aber tatsächlich nicht gezwungen, es direkt umzusetzen. Die HDP verlangte eine schnelle Freilassung. Das Urteil müsse zügig umgesetzt werden, teilte die Partei auf Twitter mit.

Demirtaş sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Die türkische Regierung wirft ihm die Unterstützung von "Terroristen" vor. Er sieht sich aus politischen Gründen verfolgt und hatte Beschwerde gegen seine Untersuchungshaft eingelegt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4218878
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/afp/dpa/saul
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.