Süddeutsche Zeitung

Türkei:Ankara setzt deutsche Medien unter Druck

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Die türkische Regierung hat versucht, deutsche Medien dazu zu bewegen, ihre Korrespondenten in der Türkei auszutauschen. Das berichteten ZDF und Tagesspiegel am Sonntag. Auf einen solchen "Deal" habe sich seine Chefredaktion "natürlich nicht eingelassen", sagte Jörg Brase, bislang ZDF-Korrespondent in Istanbul. Beide Medien sehen darin einen versuchten Eingriff in die Pressefreiheit. Einen solchen Vorgang hat es, soweit bekannt, durch türkische Vertreter in einem deutschen Medium zuvor nicht gegeben.

Am 1. März hatte die Regierung in Ankara Brase und dem Tagesspiegel-Reporter Thomas Seibert die weitere Akkreditierung in der Türkei schriftlich verweigert, ohne Begründung. Kurz danach erschien der Presseattaché der türkischen Botschaft in Berlin bei der Chefredaktion der Zeitung mit dem Vorschlag, die Akkreditierung eines neuen Reporters zu "prüfen". Gleiches geschah telefonisch beim ZDF. ZDF und Tagesspiegel forderten Ankara auf, die Verweigerung der Pressekarten zurückzunehmen, das ZDF kündigte zudem eine Klage an. Auch Außenminister Heiko Maas und Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatten Druck auf ihre türkischen Kollegen gemacht, bislang ohne Erfolg. Die beiden Reporter mussten am Sonntag ausreisen, da sie ohne Akkreditierung kein Aufenthaltsrecht haben.

Schon am Samstag hat das Außenministerium in Berlin die Reisehinweise für die Türkei verschärft und sich dabei ausdrücklich auf die verweigerten Akkreditierungen für drei Journalisten berufen. Außer Brase und Seibert gilt dies für den NDR-Reporter Halil Gülbeyaz. Zudem werden mehrere internationale Journalisten in der Türkei weiter im Unklaren darüber gehalten, ob sie ihre Presseausweise noch erhalten. Einige deutsche Medien wurden inzwischen telefonisch informiert, sie könnten mit Pressekarten rechnen, auch die SZ.

In den Reisehinweisen heißt es nun, es sei nicht auszuschließen, dass Ankara "weitere Maßnahmen gegen Vertreter deutscher Medien sowie zivilgesellschaftliche Einrichtungen ergreift". Berlin beruft sich auch auf Aussagen des türkischen Innenministers, Urlauber könnten festgenommen werden, wenn sie in Deutschland Versammlungen von in der Türkei verbotenen Organisationen besuchten. Gemeint sind die kurdische PKK und die Gülen-Gemeinde, die Ankara für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Zwar empfange die Türkei "Touristen grundsätzlich herzlich und offen", heißt es weiter.

Gefahren aber könnten auch Deutschen drohen, weil schon das "Liken" eines fremden Beitrags in sozialen Medien Strafverfolgung in der Türkei auslösen könne. Brase und Seibert sagten vor ihrer Abreise, sie würden weiter über die Türkei berichten, "von außerhalb". Er habe "alle Papiere", um dies aus Teheran zu tun, sagte Brase. Es gehe wohl darum, nach der türkischen nun die ausländische Presse einzuschüchtern. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von "staatlicher Willkür" der Türkei, SPD-Chefin Andrea Nahles von einem "relevanten Rückschritt für die deutsch-türkischen Beziehungen".

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SZ vom 11.03.2019 / SZ
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