Süddeutsche Zeitung

Impeachment:Pflichtgefühl der US-Demokraten trifft auf Wut der Wähler

Lesezeit: 2 min

Von Alan Cassidy, Washington

Elissa Slotkin hatte gewartet, gezögert, gezaudert. Als es sich nicht länger aufschieben ließ, gab die demokratische Abgeordnete ihre Entscheidung bekannt: Auf einer Bürgerversammlung in Michigan teilte sie ihren Wählern mit, warum sie an diesem Mittwoch im Repräsentantenhaus für das Impeachment gegen Donald Trump stimmen wird. Auf den Fernsehbildern sieht man, warum das für Slotkin schwer war.

Viele Besucher protestierten und schrien die Abgeordnete nieder, während sie vorne am Mikrofon stand. Da nützte es nichts, dass sie sagte, sie handle "aus Pflichtgefühl gegenüber der Verfassung". Impeachment als politisches Risiko - für die Demokraten.

Die Republikaner sprechen von einer Hexenjagd gegen Trump

So wie Slotkin ergeht es vielen gemäßigten Abgeordneten ihrer Partei. Etwa 30 Demokraten vertreten im Kongress konservative Wahlkreise, die 2016 für Trump gestimmt hatten. Die Anklage zur Amtsenthebung gegen den Präsidenten ist dort unbeliebt. Die Republikaner haben deshalb diese Gegenden mit Werbekampagnen überzogen, in denen sie das Amtsenthebungsverfahren als Hexenjagd gegen Trump bezeichnen.

Trotz dieses Drucks haben sich jedoch die meisten moderaten Demokraten für ein Ja zum Impeachment bekannt. Die Abstimmung wird damit angesichts der klaren Mehrheit der Opposition zur Formsache - und Trump der erst dritte Präsident nach Andrew Johnson und Bill Clinton, gegen den ein Impeachment erfolgt.

Dabei hat die Frage, wie viele Abgeordnete beim Votum von der Parteilinie abweichen werden, durchaus auch eine gewisse symbolische Bedeutung. Im Gegensatz zu den Republikanern haben die Demokraten ihren Vertretern eine Stimmfreigabe erteilt. Doch wie die Verhältnisse in der Praxis aussehen, zeigt sich im Fall des Demokraten Jeff Van Drew.

Der Abgeordnete aus einem eher ländlichen Wahlkreis in New Jersey lehnt eine Anklage gegen Trump ab - und sieht deshalb keine Zukunft mehr in der Demokratischen Partei. Weil ihm seine Entscheidung zugunsten des Präsidenten den sicheren Zorn der demokratischen Basis eintragen wird, bereitet er gleich einen Seitenwechsel zu den Republikanern vor.

Dagegen steht die Partei des Präsidenten hinsichtlich des Impeachments geschlossen da, nachdem der Trump-kritische Abgeordnete Justin Amash die Partei schon im Sommer verlassen hat.

So wird die Debatte am Mittwoch wohl damit enden, dass das Repräsentantenhaus dem Antrag seines Justizausschusses folgt und gegen Trump in zwei Punkten Anklage erhebt: Machtmissbrauch und Behinderung des Kongresses. Die Opposition sieht es als erwiesen an, dass der Präsident sein Amt dazu benutzt hat, die ukrainische Regierung zu Ermittlungen gegen seinen demokratischen Rivalen Joe Biden zu bewegen. Die Republikaner erkennen in Trumps Umgang mit der Ukraine jedoch kein Fehlverhalten.

Nach der Anklage durch das Repräsentantenhaus wird der Senat im Januar über Schuld oder Unschuld des Präsidenten entscheiden. Auch dieser Teil des Verfahrens ist politischer Natur, selbst wenn er daherkommt wie ein Gerichtsprozess. Die Aufsicht liegt beim Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs. Das Repräsentantenhaus bestimmt eine Anzahl von Abgeordneten, welche die Anklage vor dem Senat präsentieren. Die Rechtsberater des Weißen Hauses übernehmen die Verteidigung Trumps.

Die 100 Senatoren fungieren als Richter und Geschworene. Um den Präsidenten des Amtes zu entheben, müssen ihn mindestens 67 Senatoren für schuldig befinden. Die Republikaner haben mit 53 Senatoren eine Mehrheit. Sie können damit auch großen Einfluss auf die Ausgestaltung des Verfahrens nehmen.

Dazu gehört, dass der Senat eigene Zeugen aufrufen kann. Das fordern die Demokraten. Man müsse nun von jenen Leuten aus der Regierung hören, die mit dem Präsidenten in direktem Austausch über die Ukraine standen, schrieb Chuck Schumer, der demokratische Fraktionschef im Senat, an den republikanischen Mehrheitsführer Mitch McConnell. Er nannte dabei unter anderem Mick Mulvaney, den interimistischen Stabschef Trumps, und den früheren Nationalen Sicherheitsberater John Bolton.

Bisher lehnt die Führung der Republikaner jedoch die Anhörung von Zeugen ab. Der Ausgang des Verfahrens sei ohnehin klar, sagt McConnell: ein Freispruch Trumps. Deshalb sei ein kurzer Prozess im Interesse aller Beteiligten.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2019
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