Süddeutsche Zeitung

Tourismus-Kampagne:Aktivisten kapern Hashtag #ThisIsEgypt

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Wie Ägypten mehr Touristen ins Land locken will

Eigentlich wollte die ägyptische Regierung wieder mehr Touristen ins Land holen. Die Industrie wiederbeleben, die von politischen Unruhen und zuletzt dem Absturz einer russischen Passagiermaschine mit 224 Toten schwer getroffen wurde. Also startete man eine Online-Kampagne und den Hashtag #ThisIsEgypt, damit die Welt Ägypten so kennenlernen möge, wie es wirklich ist.

In einem Video, das Ägypten zum Start einer Werbekampagne auf Twitter veröffentlichte, sind junge Menschen zu sehen, die sich an der gebirgigen Küste des Roten Meeres, den Pyramiden von Gizeh und anderen Touristenattraktionen erfreuen.

So reagieren Aktivisten auf Twitter

Doch das ist offenbar nicht das Ägypten, das viele Ägypter in Ägypten sehen. Auf Twitter haben einige von ihnen den Hashtag zweckentfremdet. Sie posten Beiträge und Fotos davon, was aus ihrer Sicht schief läuft in ihrem Land. Ihre Posts zeigen schlecht erhaltene Straßen, Bettler und Müllhaufen, verlinken Artikel über Gefangene, Missbrauch durch die Polizei und das gewaltsame Vorgehen der Regierung gegen friedliche Demonstranten vor einer Kairoer Moschee im Jahr 2013.

"Ich versuche nicht, den #thisisegypt-Hashtag zu vereinnahmen", teilte der Journalist Wael Eskandar über Twitter mit. Er tue nur, "was sie gesagt haben": Ägypten so zu zeigen, wie es wirklich ist. Eskandar veröffentlichte Links zu Artikeln über inhaftierte Journalisten, Studenten und Aktivisten. Darunter sind Personen, die nach Angaben von Anwälten und anderen Aktivisten in den vergangenen Monaten heimlich von Sicherheitsbehörden in Gewahrsam genommen wurden.

Nach dem Sturz des Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär 2013 ging Ägypten hart gegen Islamisten vor. Davon betroffen waren auch viele Journalisten und junge prodemokratische Aktivisten, die 2011 den Volksaufstand gegen den langjährigen Staatschef Husni Mubarak angeführt hatten, der diesen letztlich stürzte.

Doch nicht alle Twitter-Nutzer kritisieren den Staat Ägypten in ihren Beiträgen. Viele verwenden den Hashtag #ThisIsEgypt auch so wie von der Regierung vorgesehen: Sie teilen Fotos des wilden Terrains der Sinai-Halbinsel, Fischern am Nil und antiken Artefakten.

Erinnerungen an die #SummerInSyria-Kampagne

Die Zweckentfremdung der Kampagne in den sozialen Medien erinnert aber sehr stark an Bemühungen der syrischen Regierung. Die staatliche Nachrichtenagentur des Landes hatte in diesem Jahr den Hashtag #SummerInSyria (Sommer in Syrien) gestartet. Dabei postete sie seinerzeit Fotos, auf denen Menschen das Nachtleben genießen - so als ob das Land nicht mitten in einem Bürgkrieg steckte.

Dieser Hashtag wurde von Unterstützern der Opposition übernommen, die Fotos vom Leiden von Bewohnern in Gebieten posteten, die von Regierungstruppen bombardiert wurden. Einige zeigten Kinder, die bei Bombardements der Regierung verletzt wurden. Ein Nutzer veröffentlichte ein Foto eines zerstörten Viertels. Dazu hieß es: "Kommt und genießt euren #SummerInSyria. Ihr werdet viele historische Städte sehen. In der Tat sind die meisten von Syriens Städten Geschichte."

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