Süddeutsche Zeitung

Terrormiliz "Islamischer Staat":Grausame Regeln für den Krieg gegen Frauen

Lesezeit: 2 min

Von Ronen Steinke

Vergewaltigung wird systematisch als Waffe eingesetzt, auf allen Kontinenten und in allen Konflikten - als Machtmittel und mit dem Willen, politische Gegner oder ganze ethnische Gruppen zu demütigen. Die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) sollen beim Vergewaltigen ein ruhiges Gewissen haben: Dies zu erreichen, bemüht sich derzeit die Führungsspitze der Terrormiliz, wie ein Dokument zeigt, das seit kurzem als Flugschrift in Syrien und dem Irak zirkuliert. "Fragen und Antworten zum Umgang mit Gefangenen und Sklaven" heißt das Pamphlet. Es wurde jetzt auch über Twitter verbreitet, von einem dem IS nahestehenden Account aus.

Gefangene nichtmuslimische Frauen sind Eigentum

Der Leitfaden beantwortet 27 Fragen von der Art: "Ist es zulässig, eine Mutter von ihren Kindern zu trennen durch den Akt des Kaufens und Verkaufens?" Die selbstgestellten Fragen werden teils unter Berufung auf angebliche islamische Lehrmeinungen beantwortet. Die Quintessenz ist: Gefangene nichtmuslimische Frauen seien Eigentum, im Umgang mit ihnen seien die Regeln der Sexualmoral ausgesetzt.

Beunruhigend an der Verbreitung dieses Leitfadens ist besonders, dass die IS-Führung damit weltweit lockt. Schon in der Oktoberausgabe des IS-Propagandamagazins Dabiq war ausführlich von "Konkubinen" die Rede gewesen, auf welche sich Dschihadisten bei ihren Eroberungszügen freuen dürften - die Zeitschrift Dabiq erscheint in englischer Sprache, sie dient der Rekrutierung. Die Aussicht, in Rebellengruppen straflos Frauen und Mädchen vergewaltigen zu können, motiviere immer wieder Männer, sich solchen Gruppen anzuschließen, sagt Monika Hauser von der Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale. Sie erinnert an Bosnien, wo in den Neunzigerjahren Musliminnen systematisch verschleppt, gefangen gehalten und vergewaltigt wurden; oder an den Kongo, wo nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen seit 1996 eine halbe Million Frauen vergewaltigt worden sind.

IS veranstaltet offenbar Sklavenmärkte

Wie viele Frauen sich derzeit in der Gewalt des IS befinden, lässt sich nur schätzen. Schätzungen der Vereinten Nationen oder von kurdischen oder jesidischen Gruppen zufolge reichen von 2500 bis 7000 Frauen. Seit dem Oktober ist es mehrmals Frauen gelungen, aus der Gefangenschaft des IS zu entkommen und von ihrem Leid zu erzählen.

Vieles bleibt unausgesprochen, allerdings lässt sich inzwischen ein Muster erkennen. Der IS hält offenbar Sklavenmärkte ab, wobei er verhindert, dass sich daran Zivilisten beteiligen, welche die Frauen nach einem "Kauf" freilassen könnten. Einige Frauen, die fliehen konnten, berichten, dass sie von Haus zu Haus gebracht wurden. Stets habe man sie nur für drei bis fünf Tage an einem Ort festgehalten. Offiziell werde dies damit begründet, dass stets neue Familien versuchen sollen, die Gefangenen zum Islam zu bekehren. Tatsächlich werden sie so von Vergewaltiger zu Vergewaltiger weitergereicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2271533
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.12.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.