Süddeutsche Zeitung

SZ-Kommentar:Ein bisschen Kohl, eine Prise Heiner Geißler

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Wie CDU-Chefin Angela Merkel sich dem Parteivolk als Kanzlerkandidatin empfiehlt.

Heribert Prantl

(SZ vom 4.12.2001) Es war eine Parteitagsrede, wie Helmut Kohl sie in seinen besten Tagen gehalten hat - nur ein wenig besser. Es gelang Angela Merkel ohne den Kanzlerbonus ihres Vor-Vorgängers, eine begeisternde, teilweise sogar kluge Rede zu halten. Sie bearbeitete ihre Partei wie einst Vladimir Horowitz das Klavier: selbstsicher, griffsicher und mit einem so kräftigen Anschlag, wie ihn Parteitagsdelegierte mögen. Die hatten darauf gewartet, jubeln zu dürfen, und sie fanden dazu Gelegenheit genug. Sie klatschten sich ihre Zweifel weg - die Zweifel an den Chancen der Union bei der Bundestagswahl, die Zweifel daran, ob ihre Parteivorsitzende es wirklich kann, und auch die Zweifel daran, ob sie die richtige Kandidatin ist, um den Kanzler herauszufordern. Angela Merkel will es, und die Partei beginnt daran zu glauben, dass sie es auch wirklich kann. Und Edmund Stoiber? Der Rivale von der CSU hat eine besonders gute Chance, bei seiner heutigen Parteitagsrede noch mehr Beifall als Merkel zu erhalten - dann, wenn er einfach sagt: Ich wünsche mir, dass Merkel gegen Schröder antritt.

Die Rede der CDU-Vorsitzenden war eine Bewerbungsrede, bei der nur der ausdrückliche Satz fehlte: Ich will. Der Parteitag verstand die Rede auch ohne diesen Satz, und die Delegierten erlebten lustvoll den Machtwillen ihrer Chefin; sie genossen es, wie die Vorsitzende auch noch die Versager in der Partei lobte und streichelte. Das unerwartet gute, ja glänzende Wahlergebnis für ihren umstrittenen Generalsekretär Laurenz Meyer war zu allererst eine Vertrauensabstimmung für Merkel. Der Parteitag bestätigte einen eher glücklosen Generalsekretär, weil alles andere dem Glück der Parteichefin im Weg gestanden hätte.

Angela Merkel vermochte auf dem Parteitag die zu befriedigen, die endlich etwas Grundsätzliches zu der von ihr propagierten neuen sozialen Marktwirtschaft hören wollten. Und sie sprach dabei so oft von Ludwig Erhard, dass sie denen, die vor dem "Neuen" in der sozialen Marktwirtschaft Angst haben, diese Angst nahm. Angela Merkel war wie Kohl und Geißler in einem, und nicht ohne Grund erinnerte sie selbst an den CDU-Parteitag von Hamburg im Jahr 1994. Damals gelang es mit zwei Reden, eine resignierte, fast apathische Stimmung in der CDU wieder herumzureißen und die Bundestagswahlen doch noch zu gewinnen: Die eine Rede damals war von Helmut Kohl, die andere von Heiner Geißler; die erste wühlte im Gemüt der Partei, die zweite befriedigte den Stolz der Mitglieder darauf, einer klugen, zukunftsweisenden Partei anzugehören.

Angela Merkel nahm Anleihen bei beiden, und sie streute noch ein wenig Wolfgang Schäuble dazu: Als sie die CDU als die Partei des 21.Jahrhunderts empfahl, sprach sie vom Brückenbauen. Es ist dies die Vokabel, die Schäuble Anfang November1999 benutzt hatte, kurz bevor sich die Strudel des Parteispenden-Skandals zu drehen begannen. Zunächst einmal steht Angela Merkel nun selbst vor einer solchen Aufgabe: Sie muss die Brücke zur CSU bauen und darauf achten, dass diese einen Wahlkampf lang hält

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