Süddeutsche Zeitung

Syrien:Waffenruhe vor dem Scheitern

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Die US-geführte Koalition attackiert irrtümlich Assads Truppen - 60 Tote. Moskau und Damaskus sind empört, vor dem UN-Sicherheitsrat kommt es zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Ein US-Luftangriff auf Regierungssoldaten in Syrien hat zu einem scharfen Konflikt zwischen Washington und Moskau geführt. Die Kooperation für eine Waffenruhe in Syrien sowie der geplante militärische Anti-Terror-Kampf in dem Bürgerkriegsland stehen infrage. Die syrische Armee und Moskau beschuldigen die USA, am Samstag Stellungen der Regierungstruppen nahe dem Flughafen der Stadt Deir al-Sor im Osten des Landes attackiert zu haben. Die Stadt ist von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingeschlossen. Bei dem Angriff sollen mindestens 62 Soldaten getötet und 100 verletzt worden sein. Das US-Militär räumte den Angriff ein.

Die Flugzeuge der Anti-IS-Koalition, zwei amerikanische und zwei australische Jets, seien "davon ausgegangen, eine IS-Position zu attackieren", hieß es in einer Erklärung. Die Stellung sei zuvor längere Zeit beobachtet worden. Die Piloten hätten den Angriff sofort abgebrochen, nachdem Russland die USA informiert habe, dass sie syrisches Militär attackiert hätten. Russland und Syriens Regierung sind verbündet. Die von den USA geführte Anti-IS-Koalition nehme "nicht absichtlich syrische Militäreinheiten unter Feuer", hieß es. Der Angriff wurde am Sonntag noch untersucht; die USA brachten der syrischen Regierung via Russland ihr Bedauern zum Ausdruck.

Der Zwischenfall führte einen Tag vor Beginn der jährlichen Generaldebatte der Vereinten Nationen zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland im Sicherheitsrat. Moskaus Botschafter Wladimir Tschurkin sagte, der Vorfall setze "ein sehr großes Fragezeichen" hinter das Abkommen mit den USA. Seine US-Kollegin Samantha Power warf Moskau vor, "eine Show abzuziehen".

Gegen die Feuerpause gibt es immer mehr schwere Verstöße

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, falls sich der Angriff als Versehen erweise, sei dieses darauf zurückzuführen, dass sich die USA weigerten, ihre Einsätze mit dem russischen Militär zu koordinieren. Das Außenministerium ging noch weiter und beschuldigte die USA, die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen. Deren Kämpfer nutzten den Angriff für eine Offensive aus, die von der Armee nach eigenen Angaben aber später zurückgeschlagen wurde.

Laut einer von US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ausgehandelten Vereinbarung sollen die Streitkräfte der beiden Mächte künftig ihre Angriffe gegen den IS und andere Terroristen koordinieren. Voraussetzung dafür ist, dass eine am vergangenen Montag verkündete Waffenruhe sieben Tage lang hält, dass UN-Hilfslieferungen in belagerte Städte wie Aleppo gelangen und dass an einer Straße in die Stadt eine demilitarisierte Zone eingerichtet wird.

Gegen die Feuerpause gibt es immer mehr schwere Verstöße. Auch die weiteren Voraussetzungen waren Sonntagabend nicht erfüllt. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich, sollte die Waffenruhe platzen und mit ihr die geplante Kooperation. Bis zum Sonntagabend erklärten aber weder Moskau noch Washington die Vereinbarung für gescheitert.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2016
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