Süddeutsche Zeitung

Syrien:Großoffensive des Regimes löst Massenflucht aus

Lesezeit: 2 min

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Großoffensive des syrischen Regimes zu Rückeroberung der Region Deraa im Südwesten des Landes hat eine neue Massenflucht ausgelöst. Laut den UN mussten bereits rund 270 000 Menschen wegen der Kämpfe ihre Häuser verlassen. Viele von ihnen versuchten, sich über die nahegelegene Grenze nach Jordanien zu retten. Das Nachbarland, das 1,4 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat, hielt die Übergänge jedoch geschlossen. Ärzte gaben an, mehr als 160 Zivilisten seien seit Beginn der Offensive getötet worden.

Acht Orte unterstellten sich nach tagelangem Bombardement in Verhandlungen zwischen Ortsvorstehern und russischen Offizieren den regimetreuen Einheiten. Damit kontrollierten Truppen von Präsident Baschar al-Assad die Hälfte der Provinz Deraa. Laut Medienberichten hat mittlerweile auch die Rebellengruppe in der Stadt Bosra kapituliert.

Israel verlegte zusätzliche Panzer und Artillerie auf die Golanhöhen, die im Westen an die umkämpften Gebiete grenzen. Die USA hatten Assad zunächst in scharfem Ton mit "angemessenen und entschlossenen Reaktionen" auf einen Bruch der Waffenruhe gedroht, die Moskau 2017 unter Beteiligung der USA und Jordanien ausgehandelt hatte. Dann ließ Washington die Rebellen jedoch wissen, dass sie ihre "Entscheidungen nicht in Erwartung eines militärischen Eingreifens" der USA treffen sollten. Zu einer Konfrontation mit Israel könnte es kommen, wenn sich die Hisbollah oder andere von Iran geführte Milizen oder die Revolutionsgarden selbst an der Rückeroberung von Gebieten entlang der demilitarisierten Zone zu den von Israel besetzten Golanhöhen beteiligen sollten. Israel hat von Russland verlangt, diese Einheiten fernzuhalten.

Deraa hat eine symbolische Bedeutung: Dort begann 2011 der Aufstand gegen Assad

Assad lehnte das ab. Truppen des Regimes und verbündete Milizen haben am 19. Juni mit dem Sturm auf die Region Deraa begonnen. Sie ist neben der Provinz Idlib, die im Norden liegt und an die Türkei grenzt, das letzte größere Gebiet, das noch von Rebellengruppen kontrollieren wird. Symbolisch ist Deraa von großer Bedeutung, weil im Jahr 2011 von dort der Aufstand gegen Assad ausgegangen war. Außerdem will das Regime die Grenze zu Jordanien unter Kontrolle bringen, um wieder Handel zu ermöglichen.

Russland unterstützt nach anfänglicher Zurückhaltung die Offensive mit massiven Luftangriffen ungeachtet der Tatsache, dass es für eine sogenannte Deeskalationszone in Deraa und den angrenzenden Provinzen Garantiemacht ist. Wieder wurden laut den UN auch medizinische Einrichtungen Ziele der Bombardements.

Am Wochenende waren Verhandlungen zwischen Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) und russischen Offizieren im Gang, die am Samstag zunächst scheiterten. Die Rebellen lehnten eine Kapitulation ab. Am Sonntag schaltete sich Jordanien als Vermittler ein. Die Rebellen boten an, russische Militärpolizei in die Region zu lassen, nicht aber die syrische Armee. Eine ähnliche Vereinbarung hatten jedoch schon die Gruppen in der im Frühjahr gefallenen Rebellenenklave Ost-Ghouta bei Damaskus vergeblich zu erzielen versucht.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2018
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