Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Mehr Gewaltenteilung in der Kirche

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In Frankfurt ringen katholische Geistliche und Laien um einen Grundlagentext, der mehr Mitsprache der Basis ermöglichen könnte - wenn Rom zustimmt. Für Aufsehen sorgt Regensburgs Bischof.

Von Annette Zoch, München

Eine Mehrheit der Teilnehmer des Synodalen Wegs, der Reformdebatte zwischen katholischen Klerikern und Laien, will mehr Gewaltenteilung in der Kirche. 164 der anwesenden 212 Synodalen stimmten am Freitag in Frankfurt für einen entsprechenden Grundlagentext, 30 dagegen, acht enthielten sich.

In dem 40-seitigen Papier sprechen sich die Autoren unter dem Vorsitz von Essens Bischof Franz-Josef Overbeck und der Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michels, für eine Gewaltenteilung auf allen Ebenen und mehr Mitsprache der Basis bei der Berufung von Amtsträgern aus.

Konkret folgt aus dieser Abstimmung aber erst mal noch nichts: Der Text geht nun erneut in die Beratung des Synodalforums "Macht und Gewaltenteilung", wo er weiter überarbeitet wird. Um die 200 Änderungsanträge hatte es zu dem Text gegeben. Erst in zweiter Lesung soll er endgültig verabschiedet werden, bei einer dritten Synodalversammlung, die wahrscheinlich 2022 stattfinden wird.

Am Nachmittag sprachen Vertreter des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz. "Solange aus deutschen Bischofshäusern immer noch negiert wird, dass Missbrauch insbesondere systemische Ursachen hat und zahlreiche dieser systemischen Ursachen strukturell in unserer Kirche verankert sind, solange sind wir immer noch ganz am Anfang des Weges", sagten Johanna Beck und Kai Christian Moritz.

In der anschließenden Debatte meldete sich Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer zu Wort: Ihm fehle der Hinweis auf alle Bemühungen zur Aufarbeitung vor 2018, dem Jahr, in dem die MHG-Studie zu systemischen Ursachen des Missbrauchs veröffentlicht wurde. "Ich kenne die Tränen der Betroffenen, aber ich weiß auch, dass es eine Befriedung gibt, wenn man die Sorge um die Opfer unterscheidet von kirchenpolitischen Agenden", so Voderholzer.

"Was ich ablehne, ist eine Emotionalisierung"

Im Bistum Regensburg hatte Voderholzer den Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen seit seinem Amtsantritt 2013 konsequent aufarbeiten lassen, Betroffene und Experten bezeichnen die Aufarbeitung heute als gelungen. Im Synodalen Weg gilt Voderholzer allerdings als erklärter Kritiker grundlegender Kirchenreformen. Er lasse sich nicht nachsagen, dass er nicht sensibel sei, sagte Voderholzer. "Was ich ablehne, ist eine Emotionalisierung und das unfehlbare Lehramt der Betroffenen."

Mehrere Synodale widersprachen dieser Wortwahl scharf, sprachen von "Diskursverschiebung" und nannten die Aussage "eine Frechheit". Auch Essens Bischof Franz-Josef Overbeck meldete sich zu Wort: "Wir sind Volk Gottes und können nur Licht der Welt sein, wenn wir mit den Tränen und den schwierigen Lebenssituationen so vieler Betroffener wirklich ernst umgehen, deshalb kann man auch vom Lehramt der Betroffenen sprechen. Es ist die Lehre, die sie in die Nähe Jesu rückt. Dieses ist das einzige wirklich unfehlbare Lehramt."

Johannes Norpoth vom Betroffenenbeirat wandte sich dann an den wenige Meter neben ihm sitzenden Botschafter des Papstes, den Apostolischen Nuntius Erzbischof Nikola Eterovic, und hatte ein Anliegen: "Exzellenz, ich gehe davon aus dass Sie über diese Versammlung dem Heiligen Vater berichten", sagte Norpoth. "Teilen Sie bitte dem Heiligen Vater die Grüße der Betroffenen in Deutschland mit, aber auch unsere Ratlosigkeit, Irritation und Sprachlosigkeit. Ich schäme mich für diese Kirche."

Kontrovers diskutiert wurde auch die Frage, ob Bischöfe gewählt und ihre Amtszeiten begrenzt werden sollten. "Wir können gut damit leben, dass Bischöfe kontrolliert werden, es tut uns gut, Rechenschaft abzulegen gegenüber den Gläubigen", sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. "Ich möchte mir aber keine regelmäßigen Bischofswahlkämpfe vorstellen." Auch die Kandidaten für das Bischofsamt wären dann andere, so Kohlgraf.

Bei zentralen Punkten der Diskussion müsste am Ende ohnehin der Vatikan zustimmen. Und auch im Synodalen Weg selbst ist eine Sperrklausel vorgesehen: Erst wenn zwei Drittel der gesamten Synodalversammlung und zusätzlich zwei Drittel der Bischöfe zustimmen, gilt ein Text als angenommen. Es kann also der Fall eintreten, dass zwar zwei Drittel aller Synodalen zustimmt, bei den Bischöfen aber nicht die nötigen zwei Drittel erreicht werden. Dann wäre der Text gescheitert.

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