Süddeutsche Zeitung

Der Synodale Weg:"Dann werdet doch evangelisch"

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In der katholischen Kirche geht nach der Corona-Pause die Reformdebatte weiter. Mit dabei: Daniela Ordowski, 27, Feministin. Ein Gespräch über Glauben, Frust und die Jungfrau Maria als fragwürdiges Vorbild.

Interview von Annette Zoch

Corona hat auch den Synodalen Weg, die Reformdebatte zwischen Klerikern und Laien in der katholischen Kirche, gebremst. An diesem Freitag treffen sich die rund 230 Teilnehmer zum ersten Mal wieder - allerdings aufgeteilt auf fünf Orte: München, Ludwigshafen, Frankfurt, Dortmund und Berlin. Daniela Ordowski, 27, ist in Frankfurt dabei.

SZ: Warum sind Sie eigentlich noch katholisch?

Daniela Ordowski: Das ist eine gute Frage. Kirche bedeutet für mich, mich in der Gemeinschaft zu engagieren und dort meinen Glauben zu leben. Und: Ich möchte den anderen nicht das Feld überlassen.

Den anderen?

Den Reaktionären in der Kirche. Das sind nicht viele, aber sie sind unglaublich laut. Es wäre sicher schmerzfreier und leichter, einfach zu gehen. Menschen, die sich in der katholischen Kirche kritisch engagieren, haben es nicht leicht. Wir machen teilweise sehr schmerzvolle Erfahrungen, schließlich ist Glaube etwas zutiefst Persönliches. Aber das Engagement so vieler kritischer Katholikinnen und Katholiken erwächst aus einer ganz starken Liebe zu dieser Kirche. Es ist keine destruktive Kritik. Man darf nicht vergessen: Der Synodale Weg ist aus den Erkenntnissen nach dem Missbrauchsskandal entstanden. Wir schauen nicht aus Spaß auf die Strukturen der Kirche, sondern aus der tiefen Überzeugung, dass sich dringend was verändern muss. Und ich glaube; uns Vertreterinnen und Vertretern der Jungen ist es dabei wichtig, uns auch für Kinder und Jugendliche starkzumachen. Momentan müssen wir das oft gegen die Kirche tun, und das ist sehr schade.

Sie sind ja nicht nur als Vertreterin der Jungen dabei, sondern auch als Frau, im Frauenforum. Doppelt schwierig?

Ja, ich bin sehr offen Feministin. Man begegnet mir oft mit der Frage, wie ich denn gleichzeitig katholisch und Feministin sein kann. Es ist sicher auch schwer zu verstehen, wie man als Frau katholisch sein kann, weil man dann ja vielleicht diese Strukturen unterstützt. Ich sage aber: Wir brauchen in der Kirche Frauen, die laut sind. Wir brauchen sichtbare Frauen. Da hört man dann oft: Ja, aber da ist doch Maria! Maria ist doch ein tolles Vorbild! Nun ja, für mich ist das kein erreichbares Vorbild - Jungfrau und Mutter. Nein, wir brauchen heute, in der Gegenwart, Frauen, die uns zeigen, dass man unabhängig von seinem Geschlecht Anteil an der Sendung der Kirche haben kann. Für viele Frauen geht es hier ja auch um ihre ganz persönliche Berufung. Und die Kirche verhindert, dass sie ihrer Berufung folgen können. Wir Frauen sind - vor allem jene, die sich schon seit Jahrzehnten engagieren - langsam an einem Punkt angekommen, wo wir die Argumente, warum wir von Diensten und Ämtern ausgeschlossen sind, nicht mehr akzeptieren können.

Jesus hat aber doch nur männliche Apostel berufen?

Ich habe im Geschichtsunterricht gelernt, dass man sich Quellen immer im historischen Kontext anschauen muss. Das würde ich mir auch für die Bibel wünschen. Glaube in meinem Verständnis bedeutet, Dinge auch immer kritisch zu hinterfragen. Auch die Bibel ist menschengemacht und vor allem männergemacht. Zu dieser Zeit und leider ja bis heute fanden und finden Frauen eben nicht die gleiche Erwähnung wie Männer.

Im vorbereitenden Papier für das Frauenforum ist als Beleg dafür, dass Jesus selbst Männer und Frauen als gleichberechtigt angesehen hat, die Rede von Maria Magdalena als der "Apostelin der Apostel". Also der Frau, der der auferstandene Jesus zuerst erschienen ist und die als seine erste Verkünderin gilt.

Das Problem ist, dass in der Bibel nicht ganz deutlich beschrieben wird, dass sie zu den Aposteln gehörte. Deshalb wird dieses Argument - es gibt ja noch ähnliche Beispiele dafür, wie Jesus mit Frauen umgegangen ist - leider meist nicht ernst genommen. Und wenn wir sagen, wir wollen aber als Frauen unseren Platz in der Kirche, dann kommt oft das Argument: Na ja, dann werdet doch evangelisch.

Das wurde Ihnen schon gesagt?

Ja. Ich kann gar nicht an meinen beiden Händen abzählen, wie oft mir schon gesagt wurde, dass ich mit meiner Kritik doch nicht katholisch sein kann. Und dass ich doch vielleicht lieber evangelisch sein sollte. Was unglaublich schmerzhaft ist. Immer wieder gesagt zu bekommen, weil du die Machtstrukturen hinterfragst, bist du nicht katholisch.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, evangelisch zu werden?

Nein. Ich bin in diesem Glauben aufgewachsen, ich bin darin fest verwurzelt, ich bin in meiner Gemeinde aktiv. Und ich persönlich bin der Meinung, dass diese Diskriminierung und die Exklusivität, die die Kirche im Moment nach außen trägt, nichts mit meinem Verständnis vom christlichen Glauben zu tun hat. Deswegen muss sich was an den Strukturen ändern, und nicht ich muss meine Konfession ändern.

Wann wäre für Sie der Synodale Weg gescheitert?

Das Schlimmste, was passieren könnte? Dass am Ende nichts passiert. Dass wir gemeinsam gute Ideen entwickeln, und am Ende bleibt nichts davon. Das wäre tatsächlich schlimmer, als hätte man diesen Weg gar nicht erst eingeschlagen. Im Moment haben wir ja keinerlei Macht darüber, wie Entscheidungen umgesetzt werden. Die Bischöfe haben eine Sperrminorität, und am Ende ist es die Sache eines jeden einzelnen Bischofs, Vorschläge umzusetzen. Deshalb ist die kritische Begleitung in der Öffentlichkeit so wichtig. Dass man am Ende nicht sagen kann, wir ignorieren jetzt, was wir da diskutiert haben. Ich glaube nämlich, dass diese Gefahr besteht. Das wäre für die Kirche fatal. Und ich weiß nicht, ob junge Menschen, ob Frauen, ob wir dann bleiben können.

Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?

Er macht mir Mut. Er hilft mir, meine Stimme zu finden, mich für Gerechtigkeit einzusetzen, für Klimaschutz, für die Gemeinschaft. Auch Mut zur Veränderung zu haben. Jesus war ein ziemlich großer Revolutionär. Ich weiß nicht, wann das aufgehört hat, dass wir Kirche damit verbinden. Dass wir Kirche mit Hoffnung verbinden, mit Aufbruch, mit Solidarität. Diesen Mut würde ich auch den Bischöfen wünschen. Und ich glaube, auch viele Menschen in der Kirche möchten gerne mutiger sein.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2020
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