Süddeutsche Zeitung

Südsudan:Tausende Kindersoldaten kommen frei

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Von Tobias Zick, Kapstadt

Sie haben Dinge erlebt, die mit dem gängigen Verständnis von Kindheit nicht viel zu tun haben. Sie mussten mit ihren kleinen Körpern riesige Waffen schleppen, "ich hatte eine AK-47", berichtet etwa ein elfjähriger Junge, der zu seinem Schutz nur Silva genannt werden soll, "sie war schwer. Ich habe gekämpft, um meine Familie und mein Dorf zu schützen."

Damit ist es bis auf Weiteres vorbei; Silva ist einer von etwa 280 Kindersoldaten im Südsudan, die jetzt in einer großen Zeremonie freigelassen wurden, in einem Dorf namens Gumuruk im Osten des afrikanischen Landes. Die Miliz, für die sie teilweise mehrere Jahre gekämpft haben, hat einen Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen. Ihr Anführer David Yau Yau hat zugesagt, in den kommenden Wochen rund 2700 weitere Kinder freizulassen. "Yau Yau", das war auch der Kampfschrei, den die Minderjährigen ausstoßen mussten, wenn es in die Schlacht ging.

Größte Freilassungs-Aktion minderjähriger Kämpfer

Es ist eine der größten Freilassungs-Aktionen minderjähriger Kämpfer aller Zeiten; auf einem Kontinent, wo es in verschiedenen Konfliktgebieten nach Schätzungen noch immer insgesamt 120 000 Kindersoldaten gibt. "Diese Kinder wurden gezwungen, Dinge zu tun und mitanzusehen, die kein Kind je erleben sollte", sagt Jonathan Veitch, Südsudan-Chef des Kinderhilfswerks Unicef, unter dessen Federführung die Freilassung verhandelt wurde. Jetzt sollen die Kinder mit ihren Familien vereinigt werden.

Kinderhilfswerk appelliert an internationale Gemeinschaft

Die allerdings sind in vielen Fällen schwer aufzufinden, weil der Bürgerkrieg im Südsudan bisher etwa 1,9 Millionen Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben hat, viele in Nachbarländer. Und den Kindern zu einem mehr oder minder normalen Leben zu verhelfen, einschließlich Schulbesuch, werde zusätzliches Geld erfordern: Das Kinderhilfswerk appellierte an die internationale Gemeinschaft, etwa neun Millionen Euro an Aufstockung des bisherigen Budgets aufzubringen.

Auch psychologische Betreuung sollen die Kinder bekommen. Der elfjährige Silva etwa berichtet, er habe bei seinen "Einsätzen" oft gesehen, wie Menschen getötet wurden. "Ich möchte jetzt zur Schule gehen und lernen. Ich will nicht mehr kämpfen, ich hatte Angst."

Ihr Glück ist: Sie werden als Kämpfer nicht mehr gebraucht

Einer der Kommandeure der Miliz, der bei der Zeremonie anwesend war, erklärte, die Kinder hätten "nur gekämpft, weil es ein besonderer Moment in der Geschichte war. Sie werden nie wieder kämpfen." In der Tat verdanken die Kinder ihre Freilassung offenbar vor allem dem Umstand, dass sie schlicht nicht mehr gebraucht werden. Die Miliz soll nach dem Friedensabkommen mit der Regierung aufgelöst werden, und ihre erwachsenen Kämpfer sollen in die staatliche Armee integriert werden.

Kämpfe dauern an

Mehr als drei Jahre lang hatte die Rebellengruppe um David Yau Yau nach eigenem Bekunden für mehr Rechte für die eigene ethnische Gruppe der Murle gekämpft. Das war allerdings im Verhältnis zum Hauptkonflikt, der das Land seit mehr als einem Jahr verwüstet, eher ein Nebenschauplatz: Die Kämpfe zwischen den Anhängern von Präsident Salva Kiir und seinem geschassten Ex-Vize Riek Machar dauern an. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Friedensgespräche im Sheraton-Hotel der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba auch weiterhin wenig mehr hervorbringen als Waffenstillstands-Abkommen, die nach wenigen Tagen wieder gebrochen werden.

Für die Mehrzahl der vielen weiteren Minderjährigen, die in dem Land Milizen dienen - allein 2014 sind nach Unicef-Schätzungen etwa 12 000 Kinder im Südsudan als Soldaten rekrutiert worden - stehen die Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Schreckens deshalb weiterhin eher mäßig.

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SZ vom 30.01.2015
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