Süddeutsche Zeitung

Südkorea:Südkorea wählt Nachfolger von Skandal-Präsidentin

Lesezeit: 3 min

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die Südkoreaner wünschen sich einen Neuanfang, die Präsidentschaftswahlen an diesem Dienstag sollen ihn bringen. Doch die drei führenden Kandidaten sind altbekannte Gesichter: Moon Jae-in von der liberalen Minjoo-Partei, der Zentrist Ahn Cheol-soo und der konservative Hong Joon-pyo. Sie alle versprechen jeweils Neuerungen unterschiedlicher Art, aber jeder von ihnen steht auf seine Weise für Kontinuität.

Die um sieben Monate vorgezogene Wahl wurde durch die Absetzung von Präsidentin Park Geun-hye im April nötig. Sie hatte die Präsidentschaft gleichsam privatisiert und das Amt so tief in den Sumpf geritten, dass sogar ihre einst allmächtige konservative Partei daran zerbrach. Jetzt sitzt sie im Gefängnis und wartet auf ihren Prozess. Sie muss mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen.

Hinter Gittern sitzen auch Samsung- Vize Lee Jae-yong, der Park bestochen haben soll, ihre Vertraute Choi Soon-sil, die Millionen von Samsung einsackte, außerdem zwei frühere Kulturminister, der Chef des staatlichen Pensionsfonds, der zuvor Gesundheitsminister war, und mehrere hohe Beamte. Mehr als genug für eine veritable Staatskrise. Zumal Samsung 20 Prozent der Wirtschaftsleistung Südkoreas generiert - und weitere Wirtschaftsführer verhaftet werden könnten.

Doch die Börse boomt, lässt also keine Anzeichen politischer Instabilität erkennen - und es geht ein normaler Wahlkampf zu Ende. Die Aktivisten der "Kerzenlicht-Bewegung", die Parks Sturz mit Groß-Demos vorbereitet hatten, klagen, die Kandidaten ignorierten ihre wichtigsten Anliegen, vor allem die Entflechtung von Politik und Großkonzernen wie Samsung.

Auch außenpolitisch wirkt Südkoreas Lage prekär. China ist sein wichtigster Handelspartner, die USA die militärische Schutzmacht; jeder Staatspräsident muss sich um ein Gleichgewicht zwischen den beiden bemühen. Das ist derzeit gestört. Außerdem muss er Nordkorea im Auge behalten, das mit Raketen zündelt und womöglich einen sechsten Atomtest vorbereitet. Als ob das nicht genug wäre, twitterte US-Präsident Trump aus dem Weißen Haus, er werde das "schreckliche" Freihandelsabkommen mit Südkorea kündigen, und schreckt Seoul mit der Ankündigung auf, es müsse die umstrittene THAAD-Raketenabwehr bezahlen.

Viele Wähler interessieren sich vor allem für Arbeitsplätze und Kindergärten

Außenpolitik ist in Südkorea Sache des Präsidenten. Sie lag in den letzten Monaten brach, Premier Hwang Kyo-ahn führte das Land bloß kommissarisch. Dennoch spielt die Außenpolitik, trotz Nordkorea und Trump, im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle. Der Favorit Moon Jae-in veröffentlichte zwar ein Buch, in dem er schrieb, Südkorea sollte Nein zu Amerika sagen können. Er kritisiert die THAAD-Stationierung und will mit dem Norden sprechen - als Stabschef des früheren Präsidenten Roh Moo-hyun hat er das vor zehn Jahren schon einmal getan. Andererseits stimmt er Washington zu, die Politik der "strategischen Geduld" sei gescheitert, und unterstützt härtere Sanktionen. Aber er wehrt sich explizit dagegen, dass Washington eine Nordkorea-Politik über Südkoreas Köpfe hinweg macht.

Viel mehr als das Thema Nordkorea bewegt die Wähler die Wirtschaft, vor allem der Stellenmarkt. Auch über Kindergartenplätze und reduzierte Studienkosten reden die Kandidaten eher.

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen vor viereinhalb Jahren stieg der Arzt und Internet-Unternehmer Ahn Cheol-soo, damals ein politischer Neuling, aus dem Nichts als Herausforderer Moons in die Vorwahlen der liberalen Partei ein. Auf einer Welle der Popularität reitend, hätte der quirlige Ahn dem oft brav wirkenden Moon beinahe die Nomination abspenstig gemacht, aber er verzichtete schließlich zu dessen Gunsten. Moon verlor die Wahl gegen Park knapp, Ahns Anhänger glaubten, ihr Mann hätte sie geschlagen. Inzwischen hat Ahn seine eigene Partei gegründet und sich ins Parlament wählen lassen. Obwohl er derzeit mit Turnschuhen und Rucksack zu Fuß Wahlkampf macht, ist seine Frische verflogen. Er ist ein fast normaler Politiker geworden. Zum Stimmenfang hat er versucht, sich jenen Konservativen anzubiedern, die sich von Park abwendeten. Doch das Hin und Her hat ihm geschadet, seine Umfragewerte sind abgestürzt.

Hong Joon-pyo, der Kandidat der Park-Treuen, die sich nun "Freiheitspartei" nennen, um sich gegen die früheren Skandale abzugrenzen, hat kaum eine Chance. Zumal er Vorurteile vieler junger Wähler gegen die Konservativen bestätigt, etwa mit dem Wahlspruch "Geschirrspülen ist Frauenarbeit" und mit dem Versprechen, er werde "hart gegen Homosexuelle durchgreifen". Allerdings äußerte sich auch Moon, um die Unterstützung der politisch einflussreichen Kirchen zu gewinnen, negativ über Schwule. Das klingt nicht nach Neuanfang.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017
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