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Studie: Neonazis im Internet:Rechtsextremismus? Gefällt mir!

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"Wir hassen Kinderschänder": Die Facebook-Gruppe hat eine einfache Botschaft, doch sie gefällt vielen. Und auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, wer dahinter steckt: Rechtsextreme setzen immer stärker auf soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube. Für die Jugendschützer verschärft sich damit das Problem der rechtsextremen Propaganda im Internet.

Jan Bielicki

Die Facebook-Gruppe hat eine einfache Botschaft: "Keine Gnade für Kinderschänder". Das gefällt vielen. Knapp 35 000 User haben bereits ihre Zustimmung signalisiert. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, wer sich hinter dem Auftritt in dem sozialen Netzwerk verbirgt, doch die Verlinkungen auf führende Köpfe der Neonazi-Partei NPD verraten es: Es sind Rechtsextremisten, die damit in der Facebook-Gemeinde Anhänger gewinnen wollen.

Nicht nur auf Facebook, auch auf YouTube, Myvideo, Blogspot und anderen Internet-Plattformen, die als das Web 2.0 bezeichnet werden, registrieren Jugendschützer eine zunehmende Präsenz rechter Extremisten. "Rechtsextremisten verlagern ihre Aktivität zusehends ins Netz 2.0", sagt auch Stefan Glaser, Bereichsleiter bei jugendschutz.net, einer Zentralstelle, die sich im Auftrag der Bundesländer um den Jugendschutz im Internet kümmert.

Etwa 6000 rechtsextreme Beiträge zählte Glaser im Jahr 2010 in sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube. Das waren laut dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht "Rechtsextremismus online" dreimal so viele rechtsextreme Auftritte wie noch im Jahr zuvor.

Für die Jugendschützer verschärft sich damit das Problem der rechtsextremen Propaganda im Internet. "In den sozialen Netzwerken haben solche Beiträge potentiell eine weit größere Reichweite als eine ins Netz gestellte Webseite", sagt Glaser. So haben sich knapp 900.000 User bereits das Lied "Wir hassen Kinderschänder" der rechtsextremen Liedermacherin Annett Müller auf YouTube angehört. Ein Video der Neonazi-Band Sleipnir bringt es in dem Videokanal auf mehr als 400.000 Aufrufe. Auch manche Filme, in denen lokale Gruppen sogenannter Autonomer Nationalisten in schnellen, mit aggressiver Musik unterlegten Bildern den "Kampf gegen das System" propagieren, erreichen mehr als 200.000 Zuschauer.

Die Extremisten hoffen mit solchen Beiträgen vor allem Jugendliche zu erreichen. Mit Bildern, Symbolen und Musikstilen, wie sie auch in anderen Jugendszenen typisch seien, würden hier "junge Leute angeteasert und angetriggert", beschreibt Glaser die rechte Netz-Strategie. Das geschehe oft "sehr subtil", sagt der Jugendschützer: "Die harte Ideologie wird später geliefert, wenn man die Jugendlichen am Haken hat."

Die Jugendschützer fordern die Betreiber der Plattformen auf, entschiedener gegen rechtsextreme Inhalte auf ihren Seiten vorzugehen. Beiträge mit strafbaren Inhalten würden zwar in der Regel schnell entfernt oder wenigstens für deutsche Nutzer gesperrt, die Mehrheit der rechtsradikalen Botschaften bliebe aber im Netz. Kritik übt der Bericht der Jugendschützer vor allem an blogspot.com, dem Blogging-Dienst von Google: Sogar gegen strafbare Hassinhalte sei Google, von den Jugendschützern um Löschung gebeten, "nur in Ausnahmefällen" vorgegangen. Auch Googles Videodienst YouTube lösche zwar volksverhetzende Filme, lasse jedoch Hassparolen in den Kommentaren unangetastet. "Es fehlt oft eine Firmenpolitik, die den Jugendschutz ernst nimmt", sagt Glaser.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2011
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