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Streit um Unabhängkeit der Justiz:EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Polen

Wegen der geplanten vorzeitigen Pensionierung von Richtern an Polens Oberstem Gericht hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dies teilte ein Sprecher in Brüssel mit. Ein solches Verfahren kommt immer dann zur Anwendung, wenn ein Staat nach Ansicht der Kommission EU-Recht bricht.

Zwischen der EU und Polen gibt es seit Monaten Streit, weil die Kommission die Rechtsstaatlichkeit des Landes in Gefahr sieht. Durch eine Reihe von Gesetzesänderungen werde die Unabhängigkeit der Justiz zunichtegemacht.

Ein bereits im April in Kraft getretenes Gesetz sieht vor, dass oberste Richter nach dem 3. Juli bereits mit 65 statt bisher mit 70 Jahren in den Ruhestand gehen müssen. Die Regelung trifft rund ein Drittel der Richterschaft. Wer im Amt bleiben will, muss dies bei Staatspräsident Andrzej Duda beantragen. Kritiker befürchten, dass Richter, die der Regierung nicht genehm sind, auf diese Weise vorzeitig entfernt werden sollen. Der Sprecher der EU-Kommission erklärte, das Gesetz sei bereits im laufenden Rechtsstaatsdialog mit Polen angesprochen worden, doch habe es keine befriedigende Lösung gegeben.

Trotz des neuen Verfahrens bleibe die Brüsseler Behörde für den Dialog mit Warschau offen. Dies sei für die Kommission der "bevorzugte Kanal, die systemische Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Polen zu lösen".

Die EU-Kommission erhebt bereits seit mehr als zwei Jahren Bedenken gegen den Umbau der Justiz durch die rechtskonservative Regierung in Polen. Im Dezember hatte sie erstmals in der Geschichte der Staatengemeinschaft ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen gestartet.

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