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Steinbrücks Auftritt im TV-Duell:Da geht noch was! Nur was?

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In der Krise selbstmordgefährdet, bei guter Laune mordsgefährlich: Nur die SPD kennt solch intensive Stimmungsschwankungen. Nach Peer Steinbrücks Auftritt im TV-Duell glauben die Genossen wieder daran, dass es sich lohnt zu kämpfen. Als Spitzenkandidat gibt Steinbrück der SPD nun neue Hoffnung, doch zugleich ist er ein Hindernis, weil er voreilig nur auf Sieg setzen wollte.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Jetzt mal ehrlich: Hatte irgendjemand den Eindruck, dass Peer Steinbrück im Fernsehduell weniger geredet hat als Angela Merkel?

Einige Minuten lag der Herausforderer zwischenzeitlich hinter der Kanzlerin, worauf die Moderatoren immer wieder so hingebungsvoll aufmerksam machten, als würde ihnen jede Sekunde Zeitdifferenz von der Gage abgezogen. Dabei redete Steinbrück einfach ziemlich schnell, was ihm vor allem bei komplizierten Themen nicht nur zum Vorteil gereichte. Merkel wiederum sprach nicht nur langsamer, sondern auch betulicher, ausschweifender, bisweilen ermüdender.

Es war bemerkenswert, dass die Kanzlerin vor der Sendung als Favoritin galt und der Herausforderer als Außenseiter. Denn dass Steinbrück eloquenter, pointierter und geschliffener formuliert als Merkel, kann man nun wirklich nicht als Überraschung bezeichnen. Immerhin ist die Wertschätzung für seine Rhetorik dem Politiker Steinbrück seit Langem eine Konstante, wenn auch mit Segen und Fluch behaftet: Erst half sie, ihn zum Kandidaten zu machen, dann wurde sie sein erstes großes Problem, kaum dass er Kandidat war.

Jetzt zieht Steinbrück die SPD hinter sich her

Steinbrück hat im TV-Duell Boden gutgemacht in Relation zu Merkel, aber noch mehr gemessen an der Motivation seiner Partei. Dem Kandidaten ist es gelungen, einer verzagenden SPD das Gefühl zu geben, dass es sich noch lohnt, öffentlichen Wahlkampf mit Blick auf den 22. September zu machen - und sich nicht schon auf interne Grabenkriege mit Blick auf den Tag danach zu konzentrieren. Steinbrück, der sich noch vor wenigen Wochen bei der Partei demütig für Unterstützung in schweren Zeiten bedankte, ist mittlerweile eindeutig derjenige, der die SPD hinter sich herzieht.

Keine andere Partei ist zu so intensiven Stimmungsschwankungen fähig wie die SPD. In jeder Krise ist sie deshalb schnell selbstmordgefährdet, in jeder guten Phase kann sie ruckzuck mordsgefährlich werden. Nach der drohenden Resignation der vergangenen Wochen wird unter Sozialdemokraten nun wieder Zuversicht ausbrechen. Das Wir entscheidet: Da geht noch was! Nur was?

Warum nicht doch große Koalition?

Realistischerweise wird das erste Ziel sein, eine schwarz-gelbe Koalition zu verhindern. Wenn man sich erinnert, wo Union und FDP vor ein, zwei Jahren standen, zeigt das freilich auch, wie viel Boden die SPD zuletzt verloren hatte. Um diesen Trend zu drehen, braucht man schon einen politischen Eisenbieger. Steinbrück guckt manchmal so, aber ist er auch einer?

Was noch an Prozenten obendrauf kommt, könnte die SPD - wenn nicht ein rot-grünes Wunder geschieht - am Ende in die gleiche Verlegenheit bringen wie die letzte Frage von Stefan Raab den Kandidaten: Warum nicht doch große Koalition?

Die frühe Festlegung Steinbrücks, Kanzler oder nichts, wirkt heute nicht nur wie aus einer anderen Zeit - sie ist es auch. Er hat auf Sieg gesetzt, aber viele Wähler hätten ihn auch bei einer Niederlage gerne auf einem guten Platz. Steinbrück hat schon obsolete Positionen mit Hinweis auf eine Lernkurve geräumt. Eigentlich schade, dass es für diese Kurve wohl zu spät ist.

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SZ vom 03.09.2013
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