Süddeutsche Zeitung

SPD:Linke Spitze

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Die Abgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer wollen SPD-Parteivorsitzende werden - als Duo und mit einem erklärten Ziel.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Kurz vor knapp haben sie noch den Saal gewechselt für ihren Auftritt, die beiden SPD-Abgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer, die sich als Duo um den Vorsitz ihrer Partei bewerben wollen. "Der andere Raum", sagt Lauterbach, "war zu dunkel und zu negativ für das, was wir vorhaben." Ins Licht also wollen er und Scheer, höchstpersönlich mit ihrer Bewerbung, aber auch ihre Partei soll selbiges wieder erblicken, am Ende des inzwischen schon ziemlich langen Tunnels. Am Donnerstag scheint zumindest schon mal die Sonne in den Konferenzraum hoch oben im Jakob-Kaiser-Haus, mit Blick auf Reichstagskuppel und Tiergarten.

Die 47 Jahre alte Umweltpolitikerin Scheer, Tochter des Politikers Hermann Scheer, Juristin und studierte Violinistin (samt Hörprobe auf ihrer Homepage), dürfte vielen Bürgern eher kein Begriff sein. Lauterbach dagegen hat in zu vielen Talkshows gesessen, um als unbekannt durchzugehen. Das sieht der 56-Jährige offenbar selbst so, zumindest sortiert er sich bei seinem Auftritt mit Scheer ungezwungen in die Riege der "Spitzenpolitiker" ein. Bekannt ist der Mediziner vor allem für seinen langjährigen, wenn auch weitgehend folgenlosen Einsatz für eine Bürgerversicherung. Hinzu kommen seine Fliege, die er aus modischen Erwägungen heraus allerdings nur noch selten trägt, und sein Versuch, den Deutschen das Würstchengrillen als quasi tödliche Form der Nahrungsmittelzubereitung zu verleiden.

Hinter der leicht skurrilen Fassade des Professors mit den zwei Doktortiteln, die Lauterbach durchaus selbst pflegt, steckt allerdings ein enorm versierter Gesundheitsexperte. Seine Kompetenz auf diesem Gebiet würden wohl nicht mal diejenigen bestreiten, die den SPD-Fraktionsvize sonst als eher anstrengend empfinden.

Scheer und Lauterbach treten, daran lassen sie keinen Zweifel, als "ziemlich linkes Team" an. "Die Inhalte stimmen nicht", sagt Lauterbach über den Ist-Zustand seiner Partei. Und Scheer, die von Anfang an gegen eine Neuauflage der großen Koalition war, sieht "in anderen Konstellationen" größere Chancen, die Ziele der SPD zu erreichen. Inzwischen ist auch der einstige Groko-Befürworter Lauterbach auf diesen Kurs eingeschwenkt: "Wir sind der Meinung, die SPD sollte die große Koalition verlassen." Auf fast allen Politikfeldern sei zu wenig erreicht worden, sagt er. Eine der Ausnahmen: die Gesundheitspolitik, da arbeite er sehr gut mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zusammen. Als ihre Schwerpunkte nennen Scheer und Lauterbach die Sozial- und Umweltpolitik, dazu das Thema Sicherheit - von Kriminalitätsbekämpfung bis zur Daseinsvorsorge.

"Ich bin eine klare Verfechterin von Vorreiterpolitik", sagt Scheer über sich. In Sachen Kandidatur hat das aber nicht ganz geklappt. Vor ihr und Lauterbach hatte nämlich schon ein anderes Team die Hand gehoben für den Parteivorsitz: Europastaatsminister Michael Roth und die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christina Kampmann. Just am Donnerstag ließ der Wahlvorstand deren Kandidatur ganz offiziell zu.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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