Süddeutsche Zeitung

Sozialdemokraten:Wie eine SPD-Doppelspitze gelingen kann

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Keine Alleinherrscher mehr, stattdessen möchten die Sozialdemokraten wie die Grünen mit einer Doppelspitze antreten. Klingt sympathisch, kann aber gefährlich sein.

Kommentar von Stefan Braun

Es klingt schon schön. Es klingt nach "Gemeinsam sind wir stark!". Es klingt nach: "Zusammen tragen wir die Last!" Und ja, es erinnert durchaus an das berühmte "Wann wir schreiten Seit an Seit". Dass die arg gebeutelte SPD künftig auf eine Doppelspitze setzen möchte, sollte niemanden wundern. Sie braucht Zusammengehörigkeit; sie braucht Teamgeist. Und sie hat zu viele Männer und Frauen als Einzelkämpfer verschlissen. Also soll es jetzt wohl ein Duo richten.

Bei vielen Sozialdemokraten dürfte überdies die Hoffnung mitschwingen, dass es der Partei auf diesem Wege gelingen könnte, die verschiedenen Lager zu versöhnen. Nach dem Motto: Nehmen wir eine Kandidatin von links und einen Kandidaten von rechts, dann kann die Statik des alten Riesen endlich wieder als stabil gelten.

Nichts allerdings wäre für die SPD gefährlicher als der Glaube, sie könnte weiterhin beides sein: Regierung und Opposition gleichzeitig. Nichts hat sie in den vergangenen zwei Jahren mehr zerschlissen als der Versuch, die eigene, gar nicht so schlechte Regierungsarbeit stets mit noch schärferen Forderungen zu übertrumpfen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit nicht, sondern zerstört sie. Es überlagert die eigenen Leistungen, statt sie herauszustellen. Kurz gesagt: Wer gelobt werden will, sollte keinesfalls behaupten, dass eigentlich noch ganz anderes und viel mehr geht.

Außerdem sollte sich die SPD nicht vom Blick auf das aktuelle Grünen-Duo blenden lassen. Was Annalena Baerbock und Robert Habeck bislang gemeinsam hinbekommen, hat es bei den Grünen über Jahrzehnte so nicht gegeben. Berühmt sind die Grünen nicht für ein funktionierendes Duett; berüchtigt sind sie, weil bisher noch jede Doppelspitze irgendwann zermürbt abtrat.

Aus diesem Grund muss es bei der SPD um etwas Anderes gehen, nicht nur um Personalauswahl. Die SPD muss fundamentale Fragen klären. Wer will sie sein? Mit wem will sie es sein? Was will sie nicht mehr sein? Und wo beginnen ihre roten Linien? All das steht an und darf nicht länger verdrängt werden.

Will sie darauf Antworten haben, dann wird sie die kaum von Doppelspitzen erhalten, die in alle Richtungen gleichzeitig blinken. Kursklärung und Zukunft gibt es nur mit Doppelspitzen, die im Kern das Gleiche wollen und also von Anfang an im Team antreten. Nur dann können sie neue Kraft entfalten; nur dann werden sie sich nicht blockieren, sondern dem Laden neuen Schwung geben.

Ob Franziska Giffey und Stephan Weil (für einen Pragmatismus aus Überzeugung) oder Simone Lange und Kevin Kühnert (für einen leidenschaftlichen Linkskurs) - nur mit einem Team bekommt die Partei, was sie lange verschleppt hat, aber zum Überleben dringend benötigt: eine echte Entscheidung.

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