Süddeutsche Zeitung

Spanien:Zelle, Parlament - und zurück

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Zur Eröffnungssitzung des neuen Parlaments in Madrid werden fünf Abgeordnete von der Polizei ins Plenum geführt. Sie stammen aus Katalonien und sitzen als Separatisten in Untersuchungshaft.

Von Thomas Urban, Madrid

Ganz im Zeichen des Konflikts um die Region Katalonien sind erstmals die beiden neugewählten Kammern des spanischen Parlaments zusammengekommen. An den Sitzungen nahmen am Dienstag nämlich fünf neue Abgeordnete aus Katalonien teil, die zu den Angeklagten im Madrider Separatistenprozess gehören. Vier wurden in die Cortes gewählt, das gesetzgebende Unterhaus, der fünfte in den Senat, der alle Gesetzesprojekte zu genehmigen hat. Bewaffnete Polizisten brachten die fünf Katalanen aus dem Untersuchungsgefängnis bei Madrid, wohin sie nach Ende der Plenumssitzung zurückgebracht wurden. Das Oberste Gericht hatte am Montag festgestellt, dass es keinen rechtlichen Grund gebe, den gewählten Abgeordneten die Teilnahme an der Eröffnungssitzung zu verweigern.

Oriol Junqueras, der Vorsitzende der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), Hauptangeklagter im Madrider Prozess, fügte bei seiner Vereidigung hinzu, dass er den Eid als "politischer Gefangener" ablege. Ein Großteil der neuen Abgeordneten buhte Junqueras dafür aus. Die konservative Volkspartei (PP) und die liberale Bürgerpartei (Ciudadanos), die beiden größten Oppositionsfraktionen, kündigten an, einen Antrag über die Aufhebung der Immunität der katalanischen Untersuchungshäftlinge im Parlament einzubringen.

Auch die Wahl der Parlamentspräsidenten stand im Zeichen der Katalonienkrise: in beiden Kammern setzten sich Vertreter der von Premier Pedro Sánchez geführten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) aus Katalonien durch, die zwar die Abspaltung ihrer Heimatregion vom Königreich Spanien ablehnen, aber für Dialog mit den Separatisten eintreten: An die Spitze der Cortes wurde die Juraprofessorin Meritxell Batet gewählt; neuer Senatspräsident ist der Philosophieprofessor Manuel Cruz. Beide liegen auf Sánchez' Linie, welcher der separatistischen Führung Kataloniens erweiterte Autonomierechte in Aussicht gestellt hat. Er lehnt aber ein Referendum über die Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Region ab. Batet verpasste im ersten Wahlgang in den Cortes die absolute Mehrheit von 176 um eine Stimme. Für sie hatten neben der PSOE die Abgeordneten des linksalternativen Bündnisses Unidas Podemos gestimmt sowie der Regionalparteien aus Kantabrien, Valencia und von den Kanarischen Inseln. Im zweiten Wahlgang enthielten sich die Vertreter der katalanischen Separatisten, sodass Batet mit einfacher Mehrheit gewählt wurde. Doch gaben die Katalanen damit ein Signal: Wenn es Sánchez nicht gelingt, Unterstützung von mindestens einem weiteren Abgeordneten aus anderen Fraktionen zu bekommen, wird er bei vielen Abstimmungen von ihnen abhängig sein.

Indes wurde zur Eröffnung der neuen Cortes auch offenbar, dass die Separatisten keinen geschlossenen Block bilden. So sprach der angeklagte Oriol Junqueras kurz auch mit Sánchez. Junqueras hat seit seiner Verhaftung im Herbst 2017 wiederholt erklärt, die Zeit sei nicht reif für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Er spielte offenbar darauf an, dass die drei separatistischen Parteien zuletzt bei den Regionalwahlen in Katalonien nur 47 Prozent der Stimmen bekamen.

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SZ vom 22.05.2019
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