Spanien:Am eigenem Ego gescheitert
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Die linken Parteien in ganz Europa hatten auf ihn vertraut. Und nun? Hat Sánchez es aus Eitelkeit nicht geschafft, ein Bündnis zu schmieden. Am Ende wird wohl wieder die Rechte jubeln.
Kommentar von Sebastian Schoepp
Seit dem Erfolg seiner Partei bei der Europawahl beansprucht der Spanier Pedro Sánchez die Rolle als letzte Hoffnung der europäischen Sozialdemokratie. Doch nach dem Schauspiel dieser Woche im Madrider Parlament muss man sagen: So wird das nichts. Zweimal scheiterte Sánchez daran, sich zum Chef einer Minderheitsregierung wählen zu lassen. Vergeben ist damit vorerst die Chance zu beweisen, dass sich auch 2019 noch ein großes europäisches Land links von der Mitte regieren lässt. Wie aber soll jemand Europas Linken ein Beispiel geben, wenn er es nicht mal schafft, sich mit den relativ moderaten spanischen Linksalternativen von Podemos zu einigen?
Dass dabei Sánchez' Ego eine gewichtige Rolle spielte, zeigte der Satz in der Rede vor der entscheidenden Abstimmung: Seine Prinzipien seien ihm wichtiger als das Amt des Ministerpräsidenten. Das fasst die ganze historische Misere der Linken zusammen: Man beharrt in der Auseinandersetzung untereinander so lange kleinlich auf Prinzipien, bis am Ende die Rechte gewinnt. Das führte zu absurden Situationen bei der Parlamentsdebatte. Jene, die sonst auf die Rolle der Krawallmacher gebucht sind, also die baskischen und katalanischen Regionalparteien, baten Sánchez und Podemos-Chef Pablo Iglesias geradezu inständig, ihre Egos zu bändigen und diese einmalige Chance nicht zu vermasseln. Vergeblich. Der katalanische Linksrepublikaner Gabriel Rufián brachte es auf den Punkt, als er sagte: Das werde die Linke noch bereuen.
Klar, die Regionalpolitiker in Barcelona und Vitoria kämen mit einer linken Regierung in Madrid besser zurecht als mit der Betonfraktion auf der Rechten, dem Nationalistentrio aus Volkspartei, Ciudadanos und Vox, die, sollte es tatsächlich im November Neuwahlen geben, Chancen haben, die Mehrheit zu erringen. Dann aber wäre in Spanien der innere Friede in Gefahr, denn das würde bedeuten: äußerste Konfrontation zwischen Madrid und den renitenten Regionen.
Bis September hat Sánchez Zeit, vielleicht doch noch eine Koalition der Gesprächsbereiten zu schmieden. Dass er sich dabei so schwertut, hat historische Gründe. Auf nationaler Ebene hat es eine Koalitionsregierung noch nie gegeben seit der Wiedereinführung der Demokratie in Spanien. Eine der beiden großen Parteien war stets stark genug, entweder allein oder mit der punktuellen Hilfe kleiner Parteien zu regieren. An diesem Modell hielten Volkspartei und Sozialisten auch noch fest, als das Parlament längst zersplittert war. Mit der Folge, dass Spanien die letzten Jahre von rachitischen Minderheitsregierungen geführt wurde - die nur bis zur nächsten Haushaltsberatung oder zum Misstrauensvotum hielten.
Die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone aber braucht ein Konzept, eine Vision, wie sie aus der immer noch schwelenden Wirtschaftskrise herauskommt. Man hatte das Gefühl, dass Sozialisten und Podemos diese Vision durchaus hatten. Ein sozialeres, aber Europa verpflichtetes Spanien, das hätte ein Gegenmodell zum marktliberalen Einheitsbrei werden können - vor allem aber zum sich ausbreitenden Rechtspopulismus. Dass die beiden Parteien programmatisch eng beieinanderlagen, räumte ja sogar Sánchez ein. Es dann an Eitelkeit und Prinzipienreiterei scheitern zu lassen, ist mehr als fahrlässig. Es ist unverantwortlich.