Süddeutsche Zeitung

Später Freispruch im Bundestag:"Kriegsverräter" werden rehabilitiert

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NS-Unrechtsurteile: 64 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs rehabilitiert der Bundestag die im Nationalsozialismus verurteilten angeblichen Kriegsverräter.

S. Höll

64 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden die im Nationalsozialismus verurteilten angeblichen Kriegsverräter rehabilitiert.

Abgeordnete von Union, SPD und Linkspartei sagten, ein entsprechender Gesetzentwurf werde mit Sicherheit am Mittwoch den Rechtsausschuss des Bundestages passieren und bei der Sondersitzung des Parlaments am 8. September verabschiedet werden.

Bei diesem Treffen soll auch das neue Begleitgesetz zum EU-Reformvertrag von Lissabon endgültig zur Abstimmung gestellt werden. Mit der neuen Regelung soll das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile aus dem Jahr 1998 ergänzt werden. Danach können dann auch Verurteilungen wegen Kriegsverrats pauschal aufgehoben werden. Bislang ging das nur in Einzelfallprüfungen.

Möglich wurde dieses Gesetz durch einen Sinneswandel in der Union, die auf Einzelfallprüfungen beharrt und eine pauschale Aufhebung verweigert hatte, auch mit dem Argument, nicht jeder sogenannte Kriegsverräter habe aus uneigennützigen Motiven gehandelt und mancher habe etwa Kriegskameraden an der Front geschadet.

Nach historischen Studien wurde in der NS-Zeit das Urteil wegen Kriegsverrats aber aus willkürlichen Gründen verhängt. Fälle, in denen Dritte unter dem Handeln eines sogenannten Kriegsverräters zu leiden hatten, sind danach nicht bekannt.

"Das Ergebnis ist klasse"

Der Gesetzentwurf war gemeinsam von SPD, Union, FDP und Grünen im Bundestag eingebracht worden. Die Linkspartei, die sich seit Jahren um eine pauschale Rehabilitierung dieser NS-Opfer bemüht und schon vor geraumer Zeit einen ähnlichen Gesetzesvorschlag vorgelegt hatte, durfte ihren Namen nicht unter den Entwurf setzen.

In der SPD hatte es Widerstand gegen eine Mitunterzeichnung der Linkspartei gegeben, ebenso bei der Unionsfraktion. Deren rechtspolitischer Sprecher Jürgen Gehb (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die großen Parteien wollten sich nicht von der Linkspartei treiben lassen." Den Sinneswandel in der Union begründete er mit den Worten: "Wir haben jahrelang für eine Einzelfallprüfung plädiert. Dafür gab und gibt es gute Gründe. Wir wollten aber nicht als die Ewiggestrigen gelten."

Nach Angaben aus den Koalitionsfraktionen hatte zuletzt auch die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende dafür plädiert, eine pauschale Rehabilitierung zu ermöglichen.

Der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte, der sich seit Jahren für die Gesetzesänderung eingesetzt und Unterstützung aus der evangelischen Kirche und von Opferverbänden gesucht hatte, warf den anderen Fraktionen vor, sich kleinlich zu verhalten. Er zeigte sich aber zufrieden mit dem Gesetzentwurf und sagte: "Das Ergebnis ist klasse."

Sehr zufrieden zeigte sich auch der SPD-Berichterstatter bei dem Gesetzesvorhaben, der Coburger Bundestagsabgeordnete Carl-Christian Dressel. Zwar seien allenfalls nur noch wenige wegen Kriegsverrats verurteilte Deutsche am Leben. Doch sei eine Rehabilitierung für sie wichtig, auch für die Familien, selbst wenn Verurteilte schon gestorben seien, sagte Dressel mit Blick auf zahlreiche Todesurteile für "Kriegsverräter". "Es geht um die wenigen Überlebenden, um die Angehörigen und um die Wiederherstellung der Ehre solcher Opfer", fügte er hinzu.

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SZ vom 25.08.2009/segi/odg
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