Süddeutsche Zeitung

Serbien:Skifahren statt impfen

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Verschwörungsmythen und Verharmlosungen dämpfen den Willen vieler Bürger, sich gegen Covid-19 immunisieren zu lassen. Ähnliche Beobachtungen treffen auch auf andere Staaten der Region zu.

Von Florian Hassel, Belgrad

Es war ein Rekord, als sich innerhalb von 24 Stunden über zwei Millionen Serben für eine Corona-Initiative ihrer Regierung registrierten. Die Rede war aber nicht von Impfungen gegen Covid-19, sondern von einer 100-Euro-Sonderzahlung. Das Interesse an Impfungen dagegen ist deutlich geringer, hervorgerufen durch geringes Vertrauen in die Regierung und verbreitete Verschwörungsmythen und Verharmlosungen.

Seit Montagmorgen können Serbiens Impfwillige ihr Interesse an einer Impfung auf der Internetseite Uprava registrieren. Am Ende des Tages hatten dies gerade 70 000 Serben getan, bis Mittwochmittag kamen noch einmal gut 70 000 hinzu. Umfragen zufolge glauben in Serbien und anderen Ländern der Region über drei Viertel der Bürger an eine Verschwörungstheorie: Dass China oder die USA das Virus gezüchtet hätten, die Pharmaindustrie oder Bill Gates es verbreite, um durch folgende Impfungen die Weltbevölkerung zu kontrollieren.

Nicht überall sind schon Impfstoffe verfügbar: In Kosovo oder Montenegro werden die ersten Dosen frühestens Ende Januar erwartet; Albanien bekam die ersten 10 000 Impfdosen erst vor einigen Tagen - Ministerpräsident Edi Rama schimpfte auf die EU, die "nur an sich selbst gedacht" habe. Doch auch dort, wo Impfstoffe schon vor Jahreswechsel bereitstanden, ist der Impfwille gering.

Umfragen zufolge will sich gut die Hälfte der Rumänen erst einmal nicht impfen lassen, in Bulgarien ließ sich gerade ein Fünftel der Lehrer vormerken. Und als der Direktor eines Belgrader Kinderkrankenhauses Ärzte und Krankenschwestern zusammenrief, um sie für eine Impfung zu registrieren und ihnen dabei, wie in Serbien üblich, gar die Auswahl unter verschiedenen Impfstoffen ließ, wollte sich niemand impfen lassen.

Zwar deuteten zurückgehende Neuinfektionen in etlichen Ländern auf eine Entspannung hin - doch das könnte sich schnell wieder ändern, warnte etwa das serbische Krisenstabsmitglied Pedrag Kon. An vielen Orten, auch in Rumänien und Bulgarien, missachteten orthodoxe Gläubige Abstandregeln beim orthodoxen Weihnachtsfest oder den Heiligen Drei Königen am 6. Januar. In Serbien standen im Bergort Zlatibor Tausende für eine am Montag eröffnete Gondel an.

Auch das Wintersportgebiet Kopaonik wurde überrannt, kaum jemand hielt sich an Maskenpflicht oder Abstandspflicht. Die Wintersportler orientierten sich offenbar, spottete der Infodienst Nova, immer noch am berüchtigten Ausspruch des Lungenarztes Branimir Nestorović, der das Coronavirus am 26. Februar 2020 auf einer Pressekonferenz mit Präsident Aleksandar Vučić als "lächerlichstes Virus der Menschheitsgeschichte" abgetan hatte.

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