Süddeutsche Zeitung

Schweiz:Mehr Macht für die SVP

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Das Parlament wählt einen zweiten Rechtskonservativen ins Regierungskabinett: Guy Parmelin gilt vielen als das kleinste Übel.

Von Charlotte Theile, Bern

Für Schweizer Verhältnisse waren die vergangenen Wochen eine aufregende Zeit. Seit den Nationalratswahlen im Oktober ist mehr als deutlich: Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), seit Jahren stärkste Partei des Landes, ist in der Regierung mit einem von sieben Ministern unterrepräsentiert. In der Schweiz sind in der Regel alle großen Parteien gemäß Wähleranteil im Kabinett vertreten. Am Mittwoch nun entschied sich die Berner Bundesversammlung, einen zweiten SVP-Politiker in die Regierung zu wählen.

Viele spekulieren darauf, dass Parmelin eine gewisse Distanz zur SVP wahren könnte

Guy Parmelin aus der Westschweiz folgt Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf nach. Auch sie war früher Mitglied der SVP. Nachdem sie 2007, ohne von der Partei aufgestellt worden zu sein, in die Regierung gewählt worden war, schloss die SVP sie aus. Schon vor Wochen hatten die Rechtskonservativen klargemacht: Dieses Mal würden sie einen "wilden" Kandidaten ebenfalls ausschließen. Im Parlament sorgte die Klausel für Kritik, dennoch konnte sich die Partei damit durchsetzen. In nur drei Wahlgängen einigte sich die Versammlung, zu der neben dem Nationalrat auch der Ständerat gehört, auf einen offiziellen SVP-Kandidaten. Der Sieger Guy Parmelin, zuletzt als mittelmäßig vorbereitet und wenig sprachgewandt aufgefallen, galt vielen als das kleinste Übel. Die SVP hätte wohl Thomas Aeschi aus dem Kanton Zug favorisiert. Der Unternehmensberater gilt als wirtschaftsliberal und als Vertrauter von SVP-Patron Christoph Blocher. Er erhielt im dritten Wahlgang 88 Stimmen, Parmelin 138. Der Tessiner Norman Gobbi, auch er SVP-Kandidat, war mit elf Stimmen abgeschlagen.

Da Parmelin wohl nur wenige Stimmen aus seiner eigenen Partei erhalten hat, spekulieren viele darauf, dass er sich als Bundesrat eine gewisse Unabhängigkeit bewahren könnte. Doch wen sie da eigentlich gewählt haben, ist den Abgeordneten der beiden Kammern nur in groben Zügen bekannt. Weinbauer Parmelin ist einer der unbekanntesten Abgeordneten des Parlaments - für welches Ministerium er sich interessieren könnte, ist zum Beispiel noch unklar. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag nannte er das Innenministerium als interessanten Posten. Für das Finanzministerium, das seine Vorgängerin Eveline Widmer-Schlumpf bekleidet hatte, ist Parmelin nach allgemeiner Auffassung eher nicht geeignet. Die Ministerposten sollen in den nächsten Tagen festgelegt werden.

Neben Parmelin wurden an diesem Mittwoch sechs weitere Bundesräte in die Regierung gewählt. Hier gab es jedoch keine Neuerung. Alle die antraten, wurden wiedergewählt. Außenminister Didier Burkhalter, Verkehrsministerin Doris Leuthard und Gesundheitsminister Alain Berset erhielten mit mehr als 200 Stimmen sehr gute Ergebnisse. Für den wechselnden Posten des Bundespräsidenten wurde der liberale Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gewählt. Er wird das Land 2016 auf der internationalen Bühne vertreten.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2015
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