Süddeutsche Zeitung

Schwarz-grüne Gedankenspiele in Hamburg:Abenteuer ohne Rückkehrgarantie

Lesezeit: 3 min

Wenn die Grünen sich in Hamburg auf die CDU einlassen, müssen sie sich schon sehr teuer verkaufen, um nicht in der Beliebigkeitsecke zu versauern. Wenn das gelingt, kann es für beide Seiten ein lohnendes Projekt werden.

Thorsten Denkler, Berlin

Es wäre ein Wagnis, um nicht zu sagen eine Abenteuerreise ohne Rückkehrgarantie: Schwarz-Grün. In Hamburg ist diese Option nach der Bürgerschaftswahl auf Landesebene erstmals so greifbar, dass einige schon diskutieren, als würde es nur noch um das Wie, nicht aber um das Ob gehen.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schien ganz aus dem Häuschen, als er gestern sagte: "Es kann sein, dass es Hamburg und auch Deutschland guttäte, wenn es zu neuen Konstellationen zwischen CDU und Grünen kommen könnte". Selbst ein Hardliner wie der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sieht "Gemeinsamkeiten". Edmund Stoiber hat schon 2004 mit Schwarz-Grün geliebäugelt.

Alle schienen nur noch auf den richtigen Moment zu warten. Der ist jetzt da. CDU-Bürgermeister Ole von Beust hat zwar - kaum überraschend - seine absolute Mehrheit verloren. Aber er kann sich beschränkt aussuchen, mit wem er regiert: Mit der SPD oder mit den Grünen. Mehr geht nicht, weil aus der "dicken fetten fünf", die FDP-Spitzenkandidat Hinnerk Fock noch am Wahlabend sah, eine dicke fette 4,7 geworden ist.

Gerade diese Beschränktheit macht Schwarz-Grün erst möglich. Zwar wollen die Hamburger mehrheitlich lieber eine Große Koalition. Für die SPD aber ist das nicht sonderlich reizvoll. Die Genossen wissen inzwischen, dass sie als Juniorpartner aus einer Großen Koalition nicht ohne Blessuren herauskommen. Hinzu kommen persönliche Differenzen. Ole von Beust hatte im Wahlkampf über seinen Herausforderer Michael Naumann gesagt: "Ich oder er." Soll heißen: Im Senat ist nur für einen von beiden Platz. Schon allein das dürfte für die SPD ein Ausschlusskriterium sein.

Alte Gräben sind noch nicht zugeschüttet

Schwarz-Grün wird in Hamburg nicht leicht umzusetzen sein. Es sind nicht unbedingt die inhaltlichen Unterschiede. Den Grünen ist klar, dass sie die geplante Elbvertiefung auch mit der SPD nicht hätten verhindern können. Wirklich umstritten sein dürfte nur der Bau eines neuen Kohlekraftwerkes. Darauf wird von Beust schon verzichten müssen, wenn er die Grünen an seiner Seite haben will.

Es sind vor allem die weitverbreiteten Ressentiments gegen den alten Klassenfeind, der die Verhandlungen belasten wird. Die Grüne Alternative Liste in Hamburg hat heute zwar nur wenig gemein mit den strickenden Anarchos und Altkommunisten, die vor 25 Jahren erstmals in die Bürgerschaft einzogen. Längst dominiert ein grün-bürgerliches Lager die Partei. Aber die alten Gräben sind deshalb noch lange nicht zugeschüttet, wie das erste Murren einiger Basis-Grüner zeigt.

Das schwarz-grüne Experiment wäre vor allem strategisch von Vorteil, für beide Parteien. Ihnen sind ihre einst verlässlichen Bündnispartner abhandengekommen. Die SPD schafft offenbar nicht mal mehr in ihrer einstigen Hochburg Hamburg, ein mehrheitsfähiges Wahlergebnis einzufahren. Und die Union kann sich im neuen Fünf-Parteiensystem nicht mehr darauf verlassen, dass es mit der FDP schon reicht. Hessen dürfte die Regel werden. Niedersachsen die Ausnahme.

Beide Parteien brauchen neue Optionen. Schon allein um nicht den Flexibilitätsvorsprung von SPD und FDP noch größer werden zu lassen. Die SPD hat in der jüngsten Vergangenheit in Bund und Ländern fünf Koalitionsmodelle durchprobiert. Rot-Grün, Rot-Gelb, Rot-Grün mit linker Tolerierung, Rot-Rot, und Rot-Grün-Gelb. Die FDP hat außer mit der Linkspartei mit allen schon einmal koaliert. Die Union hat nur die SPD oder die FDP. Die Grünen haben die SPD. Mit der FDP sind sie auch in Koalitionen nie warm geworden.

Die inhaltlichen Schnittmengen für Schwarz-Grün sollten ausreichen: Die Haushalts- und Finanzpolitik ist oft deckungsgleich, Pluspunkte in der Union konnten die Grünen für ihre rigide Haltung in der Stammzell-Forschung sammeln. Grüne und Union teilen grundlegende Werte miteinander, wie die Bewahrung der Schöpfung. Und die Menschenrechtspolitik von Kanzlerin Angela Merkel ist den Grünen sicher näher, als Schröders Kuschelkurs mit Putin.

Die Hamburger Grünen werden das Experiment wagen, wenn der Preis für die CDU hoch ist und wenn sie die Koalition als spannendes Experiment verkaufen können.

Ansonsten würden sie in der Beliebigkeitsecke irgendwann die Umfragen von unten anführen. Die Beispiel FDP ist da Warnung genug. Spätestens als sie sich in der Hansestadt 2001 auf eine Dreierkoalition mit CDU und der Schill-Partei eingelassen hat, hat sie den Status der Wählbarkeit offenbar verloren.

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