Süddeutsche Zeitung

Schule:Sachsen und Bayern vorn

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Bundesweiter Test untersucht Leistungen von Neuntklässlern in Mathematik und Naturwissenschaften.

Von Paul Munzinger, München

Welche Botschaft diese Aufgabe wohl in den Köpfen von Neuntklässlern hinterlässt? Zu sehen ist eine Zapfsäule, an der jemand getankt hat, 47,22 Liter für 58,51 Euro. Neben der Anzeige klebt ein Sticker, der informiert, dass auf jeden getankten Euro 73 Cent Steuern entfallen. "Wie viel erhält der Staat bei der dargestellten Tankfüllung an Steuern?" lautet die erste Frage an die Schüler, fünf Beträge stehen zur Wahl. Teilaufgabe 2 beginnt mit dem Satz einer gewissen Petra. "Wenn der Staat überhaupt keine Steuern auf Benzin mehr erheben würde, würde der Benzinpreis auf etwa ein Viertel des jetzigen Preises sinken." Die Schüler sollen erklären, wie Petra zu der Aussage kommt - rein mathematisch natürlich.

45 000 Neuntklässlerinnen und Neuntklässler aus allen Schulformen haben sich im vergangenen Jahr an mathematischen und naturwissenschaftlichen Aufgaben dieser Art versucht. Es ging nicht um Noten, sondern darum, dass Wissenschaftler im Auftrag der Bundesländer den Leistungsstand am Ende der sogenannten Sekundarstufe 1 ermitteln können. Das Ergebnis stellten Forscher des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) am Freitag in Berlin vor. Der IQB-Bildungstrend 2018 bestätigt das Bild, das schon viele Vergleichstests ergeben haben: Schüler in Sachsen und Bayern schneiden besonders gut ab, Bremen und Berlin fallen ab. In Mathe etwa erreichen 41 respektive 34 Prozent der Neuntklässler dort nicht das Mindestniveau. Bundesweit sind es 24 Prozent, in Biologie, Chemie und Physik liegen die Werte mit 5, 17 und 9 Prozent niedriger. Allerdings gilt dieses Mindestniveau für den Mittleren Schulabschluss in der 10. Klasse - den Schülern, die am Test teilnehmen, bleibt also noch ein Jahr, um aufzuholen.

In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und anderen Ländern haben vor allem die Jungen nachgelassen

Die Forscher um IQB-Chefin Petra Stanat werten die Ergebnisse trotz dieser teils hohen Werte als Erfolg. Ihre Begründung: Im Vergleich zu 2012 blieben die Leistungen der Schüler stabil - obwohl die Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen, gewachsen sind. Denn auch in den neunten Klassen zeigen sich nun Veränderungen, die in den Grundschulen schon länger sichtbar sind: Sie sind "heterogener" geworden, wie das die Wissenschaftler nennen, will heißen: bunter - und dadurch für die Lehrer nicht einfacher. Um sieben Prozentpunkte hat zwischen 2012 und 2018 der Anteil der Neuntklässler zugenommen, von denen mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde. Bundesweit liegt er nun bei einem Drittel, in Bremen und Berlin bei knapp der Hälfte, in Bayern bei 29 Prozent, in Sachsen bei 12 Prozent.

Zudem besuchen im Zuge der Inklusion deutlich mehr Schüler eine Regelschule, die früher noch auf eine Förderschule gegangen wären. Die Quote der Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Regelschule besuchen, stieg bundesweit um 20 Prozentpunkte. Und nirgendwo wird die Inklusion so konsequent umgesetzt wie in Berlin und Bremen. Zwei Drittel der Jugendlichen mit Förderbedarf gehen in der Hauptstadt auf eine Regelschule, in Bremen sogar 88 Prozent. Das schlechte Abschneiden beider Länder hat maßgeblich damit zu tun, dass ihre Klassen sich anders zusammensetzen als in den Flächenstaaten. In Sachsen liegt die Inklusionsquote bei 26 Prozent.

Doch obwohl die Leistungen der Schüler mit Blick auf ganz Deutschland kaum Veränderungen zeigen, gibt es in einzelnen Ländern durchaus einen Trend - und der zeigt häufig nach unten. Das gilt vor allem für die ostdeutschen Flächenländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort schneiden die Schüler in allen untersuchten Fächern schlechter ab als 2012. Ein Abschwung, aber auf hohem Niveau.

Eine Erklärung bieten die Forscher nicht, dafür zwei Ansatzpunkte. Erstens: Die Leistungen an Gymnasien sinken wiederum besonders in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Zweitens: Der Abwärtstrend betrifft vor allem Jungen. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und anderen Ländern schnitten sie in Mathe und Naturwissenschaften schlechter ab als 2012. Im Schnitt interessieren sie sich auch weniger für die Fächer und glauben weniger an sich, vor allem in Mathe. Insgesamt rechnen sie trotzdem sicherer als Mädchen. In Biologie ist es umgekehrt, hier liegen die Mädchen vorn. In Chemie und Physik zeigen Jungen mehr Selbstvertrauen und Interesse - die besseren Leistungen bringen die Mädchen.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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