Süddeutsche Zeitung

Sarkozys Mission in Moskau:Worte gegen Muskeln

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In der Kaukasus-Krise ringt die EU dem Kreml Zugeständnisse ab - und hat doch kaum Kraft, um gegen Russland vorzugehen. Moskau findet Gefallen an der neuen Macht.

Stefan Kornelius

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat in Moskau einen kleinen Erfolg errungen. Wieder einmal sagt Präsident Dmitrij Medwedjew den Abzug seiner Truppen aus dem georgischen Kernland zu, und erstaunlicherweise befürwortet er die Stationierung einer Beobachtertruppe.

Das sind kleine und wichtige Triumphe des EU-Ratsvorsitzenden, der sich bisher von allen russischen Äußerungen eher gedemütigt vorkommen durfte. Nun also kehrt Sarkozy mit einem Erfolg heim.

Allein: Was die Zusagen Medwedjews wert sein werden, lässt sich frühestens in einem Monat sagen, wenn die Truppen tatsächlich abgezogen sein sollen. Schon einmal versprach der russische Präsident allerhand, und schon einmal fand die russische Politik Mittel und Wege, ihre Zusagen zu brechen.

Europa macht eine neue Erfahrung mit diesem Russland. Mit Zuckerbrot und Peitsche betreiben der Kreml-Herrscher und sein Patron im Amt des Ministerpräsidenten Außenpolitik. An einem Tag saust der Lederriemen nieder auf die verschreckten Völker aus dem ehemaligen Sowjetreich. Am nächsten besänftigt der Dompteur aus dem Kreml das aufgebrachte Publikum, das sich den Kopf über Sanktionen und potentielle Druckmittel zerbricht.

Die Wahrheit ist: Die EU hat nicht viel Kraft, um gegen das sich autokratisch und zunehmend unberechenbar gebärdende Russland vorzugehen. Europas Aufplusterei hat einen fundamentalen Konstruktionsfehler. Die Gemeinschaft gackert wie ein aufgeregtes Huhn vor dem Fuchs.

Kühl und frech

Sie mag noch so sehr über Russlands Borniertheit als Besatzungsmacht zürnen - keine Macht der EU kann Moskau aus Georgien vertreiben. Wenn es Medwedjew in einem Monat so beliebt, dann bleiben die Truppen eben dort. Gründe gibt es viele, Gründe lassen sich konstruieren. Das lehrt die Entstehungsgeschichte dieses Krieges.

Moskau hat in den vergangenen Tagen kühl bis frech deutlich gemacht, dass es die Macht auf seiner Seite weiß. Man könne die Versorgungsflüge zur Weltraumstation einstellen, hieß es. Öl und Gas fänden auch andere Abnehmer, hieß es. Ein Partnerschaftsabkommen brauche vielleicht der Fleischexporteur Polen, nicht aber Russland, hieß es. Russland fühlt sich so stark, dass es nicht geschützt werden muss.

Wer wie Russland schlagartig alle Gepflogenheiten des modernen internationalen Umgangs außer Kraft setzt, wer Europa in die Welt bismarckscher Einflusssphären zurücktreiben will, dem ist auf Dauer mit nervöser Krisen-Pendelei nicht beizukommen.

Deswegen muss die EU nach dem Vermittlungserfolg Sarkozys in sich gehen und ernsthaft über ihr Verhältnis mit dem großen Nachbarn nachdenken. Auf Dauer kann die Gemeinschaft ihre Stärke nur zeigen, wenn sie ihre Marktmacht ausnutzt, das Energiemonopol bricht und ein paar glaubwürdige Druckmittel bereithält. Jubelgesänge über Sarkozys Moskauer Mitbringsel sind jedenfalls verfrüht.

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Quelle:
SZ vom 09.09.2008/ssc/odg
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