Süddeutsche Zeitung

Evangelische Kirche in Sachsen:Bischof mit rechter Vergangenheit

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Von Matthias Drobinski, München

Das Land steht am Abgrund, war der Autor Carsten Rentzing überzeugt. "Dass ein Staat, in dem Feigheit vor Tapferkeit, Selbstverwirklichung vor Freiheit, Leben vor Ehre gilt, dem Untergang geweiht ist, dürfte kaum bezweifelt werden", schrieb er. Das demokratische System vermenge "die jeweils klassischen Entartungsformen". Den meisten Lesern dürfte gefallen haben, was der Philosophie- und Theologiestudent da schrieb; der Text erschien in der neurechten Zeitschrift fragmente, dessen Redakteur Rentzing von 1989 bis 1992 war. Dort vertrat er, so interpretieren ihn seine sehr viel kritischeren Leser von heute, einen Ethnopluralismus: Nationen und Völker sollen friedlich nebeneinander leben, sich aber nicht vermischen.

Carsten Rentzing verschwieg seine Tätigkeit bei einer rechter Zeitschrift

Lange ist das her. Doch Rentzing ist immerhin 2015 zum evangelischen Landesbischof von Sachsen gewählt worden, mit nur einer Stimme Mehrheit und zum Schrecken der Liberalen in der Landeskirche: Rentzing ist ein dezidierter Gegner der Ehe für alle und sieht sich als konservatives Gegenmodell zum liberalen Mehrheitsprotestantismus. Vor der Bischofswahl grenzte er sich von AfD und Pegida ab. Seine Vergangenheit als rechtsradikaler Redakteur aber verschwieg er und auch seine Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung.

Letzteres machte die Sächsische Zeitung öffentlich, als nach dem Erfolg der AfD bei der Landtagswahl eine Initiative von Kirchenmitarbeitern eine schärfere Distanzierung Rentzings von rechten Positionen forderte. Er sei nur passives Mitglied, der alten Freundschaften wegen, verteidigte sich der Bischof. Doch der Druck auf ihn wuchs, als bekannt wurde, dass er 2013 in der "Bibliothek des Konservatismus" in Berlin einen Vortrag gehalten hatte, wo sich so ziemlich alle versammeln, die in der rechten Szene Rang und Namen haben - der gegenwärtige Leiter der Bibliothek, Wolfgang Fenske, war wie Rentzing Redakteur bei fragmente.

Als dann der Kirchenleitung in Dresden die fragmente-Texte zugespielt wurden, war klar: Der Bischof ist nicht mehr zu halten. "Um Schaden von meiner Kirche abzuwenden", werde er "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" zurücktreten, erklärte Renzing. Die Positionen von einst teile er heute nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019
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