Süddeutsche Zeitung

Russland und Ukraine:Gefangene bleiben in Haft

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Gerüchte hatten die Spekulationen über einen Gefangenenaustausch zwischen Moskau und Kiew angeheizt. Dann kam der Dämpfer.

Von Silke Bigalke, Moskau

Am Flughafen in Kiew warteten schon Journalisten, jedenfalls verbreiteten ukrainische Medien Fotos von aufgestellten Kameras am Terminal. Sie warteten auf ein Flugzeug, das nie kam. Es sollte ukrainische Gefangene aus Russland mitbringen, so die Gerüchte aus verschiedenen Quellen. Auch der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow sollte nach Hause kommen, genau wie jene Seeleute, die die russische Küstenwache im November an der Meerenge von Kertsch festgenommen hatte. Seit Tagen hatte es Spekulationen darüber gegeben, dass es nun klappen könnte mit dem lang erhofften Gefangenenaustausch. Doch eine offizielle Bestätigung fehlte.

Eine Mitarbeiterin des ukrainischen Parlaments hatte auf Facebook geschrieben, die Gefangenen seien bereits auf dem Heimweg. Ihre Nachricht verbreitete dann der neu ernannte ukrainische Generalstaatsanwalt weiter, deswegen wurde sie geglaubt. Der Chefredakteur des russischen Radiosenders Echo Moskau schrieb über Telegram, das Flugzeug mit den Gefangenen würde am frühen Freitagmorgen in Kiew landen.

Der Austausch wäre für Selenskij ein Erfolg

Stattdessen kam am Freitag der Dämpfer: Das Büro des ukrainischen Präsidenten erklärte, der Austausch habe bisher nicht stattgefunden. Später zitierte die russische Nachrichtenagentur Tass den Verteidiger mehrerer russischer Gefangener, die offenbar für den Austausch vorgesehen waren. Seine Mandanten säßen weiterhin in Haft. Am Mittwoch hatte ein ukrainisches Gericht bereits einen russischen Journalisten freigelassen, dem vorgeworfen worden war, mit prorussischen Separatisten zusammenzuarbeiten.

Der Austausch wäre vor allem für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij ein Erfolg. Er hatte im Juli zum ersten Mal mit Präsident Wladimir Putin telefoniert, dabei hatten sie auch über einen Gefangenenaustausch gesprochen. Russische Medien hatten später spekuliert, dass insgesamt zwischen 60 und 70 Gefangene freigelassen werden könnten.

Damit, dass Oleg Senzow darunter sein könnte, hatte man zunächst nicht gerechnet. Dann meldeten russische Agenturen, der ukrainische Regisseur sei von Sibirien nach Moskau verlegt worden. Senzow war zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, terroristische Anschläge geplant zu haben, was er stets bestritten hat. Im Oktober 2018 erhielt er den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2019
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