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Russland:Anwältin: Kremlkritiker Nawalny wurde vergiftet

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Der bekannte Kremlkritiker Alexej Nawalny ist nach Angaben seiner Anwaltin vergiftet worden. Nawalny sei mit einer unbekannten chemischen Substanz in Kontakt geraten. Zuvor hatte Nawalnys persönliche Ärztin bekannt gegeben, dass man eine Vergiftung des Oppositionellen nicht ausschließen könne. Eine Schwellung im Gesicht und andere Symptome könnten auf giftige Chemikalien zurückzuführen sein, schrieb Anastassija Wassiljewa bei Facebook. Die Ärztin sagte weiter, Nawalny sei gegen ihren Rat aus dem Krankenhaus zurück ins Gefängnis gebracht worden.

Nawalny war am Sonntag aus der Haft in ein Krankenhaus gebracht worden. Seine Sprecherin schrieb auf Twitter, er werde wegen einer akuten allergischen Reaktion behandelt. Sie sprach von einem geschwollenen Gesicht und geröteter Haut. Die Ursache für die Erkrankung des Kremlkritikers war zunächst unklar. "Alexej hat keine Allergien", sagte seine Ärztin jedoch. Es sei ungewöhnlich, dass ein Mensch in 43 Lebensjahren noch keine allergischen Reaktionen gezeigt habe und sie dann plötzlich bekomme. Fünf Mitgefangene in der Zelle hätten die gleichen Lebensmittel wie Nawalny zu sich genommen. Ihnen gehe es jedoch gut.

Sein Vertrauter Leonid Wolkow sagte dem russischen Radiosender Echo Moskwy, er selbst habe im Gefängnis einmal mit ähnlichen Symptomen zu kämpfen gehabt. In seinem Fall vermutete er Hygienemängel in der Haftanstalt als Ursache.

Nawalny war am Mittwoch zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil er zu Protestaktionen aufgerufen hatte, bei denen Oppositionelle die Zulassung unabhängiger Kandidaten bei den Regionalwahlen in sechs Wochen einfordern wollten. Es war nicht das erste Mal, dass er deswegen verurteilt wurde.

Bundesregierung: Vorgehen der Polizei "unverhältnismäßig"

Insgesamt waren am Wochenende bei regierungskritischen Protesten nach Angaben von Beobachtern mehr als 1000 Menschen festgenommen worden. Die Bundesregierung verurteilte das Zeugen zufolge harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer bezeichnete den Einsatz als "unverhältnismäßig". Die Bundesregierung habe die Entwicklungen vom Wochenende "mit großer Sorge zur Kenntnis genommen".

In Russland waren mutmaßliche Vergiftungen im politischen Milieu in der Vergangenheit immer wieder ein Thema. Zuletzt verdächtigte der Aktivist Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, den russischen Geheimdienst, ihn 2018 in Moskau vergiftet zu haben. Pussy Riot ist mit spektakulären Aktionen gegen Justizwillkür und Korruption weltweit bekannt geworden.

International für Schlagzeilen sorgte der Giftangriff auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury. Sie sollen mit dem Nervengift Nowitschok attackiert worden sein. Beide überlebten. Großbritannien macht Russland für den Anschlag verantwortlich. Moskau hat eine Verantwortung stets zurückgewiesen.

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