Süddeutsche Zeitung

Duell Mueller gegen Trump:Ich krieg dich!

Lesezeit: 5 min

Von Hubert Wetzel, Washington

Das Duell ist ein fester Bestandteil der Politik in Amerika. Die Geschichte ist voll von Abgeordneten, Senatoren und anderen hochmögenden Personen, die ihre politischen Streitigkeiten mit der Waffe austrugen. Selbst höchste Amtsträger griffen zuweilen zur Pistole: 1804 tötete Vizepräsident Aaron Burr den ehemaligen Finanzminister Alexander Hamilton in einem Duell. Der spätere Präsident Abraham Lincoln wurde 1842, als er noch Parlamentarier in Illinois war, ebenfalls von einem politischen Widersacher zum Zweikampf gefordert.

Ein besonders eifriger Duellant war der Offizier Andrew Jackson. 1806 pflanzte er einem Mann namens Charles Dickinson eine Kugel in die Brust. Jackson wurde 1829 der siebte Präsident der USA - der einzige Mann in diesem Amt, der je einen anderen Menschen in einem Duell getötet hat.

Womit man bei Donald Trump wäre. Als Trump im Januar 2017 ins Weiße Haus einzog, bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, im Oval Office ein Porträt von Andrew Jackson aufhängen zu lassen. Im Mai desselben Jahres wurde Robert Mueller zum Special Counsel ernannt, zum Sonderermittler. Das Duell begann.

Trump gegen Mueller - das ist ein seltsamer Zweikampf. Auf der einen Seite steht der Präsident, der halbseidene, bombastische Unternehmer, der ständig laut über die "Hexenjagd" jammert, die gegen ihn betrieben werde. Auf der anderen Seite steht Mueller, ein Jurist von makellosem Ruf und ehemaliger FBI-Direktor, von dem nicht einmal ein Flüstern zu hören ist. Mueller hat sich, seit er Sonderermittler ist, kein einziges Mal öffentlich geäußert; sein Büro ist wasserdicht, es gibt keine Informationslecks. Man sollte Muellers Stille aber nicht als Zeichen von Angst deuten. Der 74-Jährige, der als Offizier in Vietnam gekämpft hat, gilt als furchtloser Ermittler. Der junge Donald Trump drückte sich damals vor dem Kriegsdienst.

Muellers Ermittlungsauftrag hat zwei Teile. Zum einen soll er herausfinden, ob und wie die russischen Geheimdienste sich 2016 in den Wahlkampf eingemischt haben. Der Kreml bestreitet das, doch die Erkenntnisse, die Mueller und die US-Dienste gesammelt haben, ergeben ein anderes Bild: Moskau hat damals eine umfassende Sabotageaktion gegen die Demokratin Hillary Clinton betrieben, um dem Republikaner Trump zu helfen. Dazu wurden E-Mail-Konten der Demokraten gehackt. Zugleich gab es eine von Russen organisierte Hetzkampagne im Internet, um die Risse in der amerikanischen Gesellschaft zu vertiefen. Mueller hat deswegen gegen 25 russische Staatsbürger Anklage erhoben, unter ihnen zwölf Geheimdienstler.

Zum anderen soll Mueller auch herausfinden - das ist der politisch brisante Teil seines Mandats -, ob Trumps Wahlkampfteam in diese Sabotageaktion verwickelt war. Juristen bezeichnen eine solche geheime Zusammenarbeit zweier Parteien zum Schaden einer dritten als Kollusion. Hätten Trump und die Russen kolludiert, wäre ein anderer Begriff angebracht: Verrat.

Bisher gibt es allenfalls Indizien, aber keine harten Beweise, dass so eine absichtliche Kooperation zwischen Trump und Moskau stattgefunden hat. Muellers Ermittlungsergebnisse zeigen, dass der russische Geheimdienst versucht hat, an Trumps Team heranzukommen. Es gab allerlei dubiose Kontakte zwischen Trumps Mitarbeitern und Russen. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist ein Treffen in Trumps Wahlkampfzentrale im Juni 2016, bei dem eine russische Anwältin "Dreck" über Clinton anbot. Es gibt durchaus Leute in den USA, die es für Verrat halten, dass Trumps Team diesem Treffen zustimmte, ohne das FBI zu informieren. Trumps Haltung ist hingegen: Das macht doch jeder.

Allerdings scheint sich Mueller ohnehin auf einen anderen Vorwurf einzuschießen: Behinderung der Justiz. So hat Trump den ehemaligen FBI-Direktor James Comey nach dessen Angaben Anfang 2017 gebeten, die Ermittlungen gegen Michael Flynn einzustellen. Flynn war Trumps erster Sicherheitsberater und stand immer wieder mit russischen Vertretern in Kontakt. Ob dabei wirklich Illegales besprochen wurde, ist unklar. Aber weil Flynn das FBI darüber belog, hat Mueller Anklage gegen ihn erhoben. Ähnlich erging es auch anderen Trump-Mitarbeitern, die mit Russen Kontakt hatten und nicht die Wahrheit sagten.

Als Comey sich weigerte, die Ermittlungen gegen Flynn zu beenden, warf Trump ihn im Mai 2017 aus dem Amt. Wollte der Präsident so die Russland-Ermittlungen stoppen und illegale Absprachen mit Moskau vertuschen? Seine Gegner sagen: Ja. Trump habe sich so der Behinderung der Justiz schuldig gemacht. Auch wenn es keine Kollusion gab, reiche das für eine Amtsenthebung. Trumps Unterstützer sagen: Nein. Es gab keine Kollusion mit Moskau, also gab es nichts zu vertuschen. Die Russland-Ermittlungen, sagen Trumpisten, seien der Versuch des "tiefen Staates" - einer Verschwörung linker Bürokraten im Sicherheitsapparat -, um Trump zu stürzen.

Ob Mueller Trump jemals der Kollusion mit Russland überführen oder der Behinderung der Justiz bezichtigen wird, ist derzeit offen. Doch Ermittlungen, wie Mueller sie führt, haben oft einen Nebeneffekt: Sie decken Gesetzesverstöße auf, die nicht mit den ursprünglichen Verbrechen zu tun haben, die untersucht werden sollen. Und der Schaden kann dann erheblich sein.

Diese Lektion muss Trump gerade lernen. So hat Mueller herausgefunden, dass Trumps ehemaliger Wahlkampfleiter Paul Manafort als Lobbyist früher zig Millionen Dollar verdient, aber nicht versteuert hat. Mit Trumps Wahlkampf im Jahr 2016 hat das nichts zu tun. Mueller klagte Manafort trotzdem an, am Dienstag wurde dieser schuldig gesprochen.

Trumps früherer persönlicher Anwalt Michael Cohen geriet ebenso in Muellers Netz. Cohen wickelte 2016 für den damaligen republikanischen Kandidaten Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen ab, die Affären mit Trump gehabt hatten. Trump wolle verhindern, dass die Seitensprünge kurz vor der Wahl öffentlich wurden. Diese geheimen Zahlungen waren ein Verstoß gegen die US-Wahlfinanzierungsgesetze - angestiftet von Trump, wie Cohen vor einigen Tagen vor Gericht gestand.

Zwar hatten diese Zahlungen nichts mit Russland zu tun. Aber es war Mueller, der sie entdeckt und seine Erkenntnisse an die New Yorker Staatsanwaltschaft weitergereicht hatte, die daraufhin Cohen in die Zange nahm. Die Folge: Der Präsident steht wegen Mueller jetzt als Anstifter zu einer Straftat da. Und noch eine Angst treibt das Trump-Lager um: Was ist, wenn Cohen über zweifelhafte oder gar illegale Immobiliengeschäfte aussagt, die Trump früher vielleicht gemacht hat?

Inzwischen hat Mueller fast ein halbes Dutzend Leute aus Trumps Umfeld angeklagt. Selbst wenn der Sonderermittler am Ende keine Kollusion mit Russland findet, selbst wenn er den Vorwurf der Behinderung der Justiz nicht erhebt, so zeigt er den Amerikanern doch, mit welch zwielichtigen Figuren der Präsident sich umgibt. Der Fall Cohen hat Trump zudem direkt und persönlich in Verbindung mit einer Straftat gebracht. Das könnte durchaus die Grundlage für ein Amtsenthebungsverfahren werden - Russland hin oder her.

Deswegen bemühen Trump sowie seine Unterstützer im Kongress und in den konservativen Medien sich nach Kräften, Mueller als linken Eiferer und Knecht der Demokraten zu diskreditieren.

Ginge es nach Trump, würde Mueller sogar kurzerhand entlassen werden. Kein Ermittler, keine Ermittlungen. Doch Muellers Entlassung könnte nur der Justizminister verfügen. Der amtierende Ressortchef Jeff Sessions aber hat sich in allen Dingen, die Russland betreffen, für befangen erklärt - auch er hatte sich 2016 mit einem russischen Regierungsvertreter getroffen und das verheimlicht. Dass Sessions sich aus den Russland-Ermittlungen herausnimmt, löst bei Trump regelmäßig Wutanfälle aus. Der Justizminister sei ein Feigling, meckert der Präsident. Hätte er gewusst, dass Sessions so wenig Mumm und Loyalität besitze, hätte er ihn nie ernannt.

Es wird spekuliert, Trump könnte Sessions demnächst entlassen.

Jeff Sessions hat die Beleidigungen bislang stoisch hingenommen. Am Donnerstag aber wehrte er sich. Das Justizministerium werde keine politisch motivierten Entscheidungen treffen, sondern dem Gesetz folgen, stellte er klar. Robert Mueller bleibt. Das Duell geht weiter.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4103193
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.08.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.