Süddeutsche Zeitung

Rüstungsindustrie:Eindeutig uneindeutig

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Die Bundesregierung und Abgeordnete der Opposition streiten über deutsche Waffenlieferungen. Es geht um eine Einschätzung, welche Länder "unmittelbar" am Jemen-Krieg beteiligt sind und welche nicht.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es ist eine Formulierung im Koalitionsvertrag, auf die man in der SPD stolz war. "Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind", steht da unter der Überschrift "Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik". Mehr als ein halbes Jahr nach Amtsantritt der großen Koalition schält sich allerdings heraus: So eindeutig wie der Satz klingt, ist er nicht. Schon länger wollen Oppositionsabgeordnete Auskunft darüber, welche Länder denn nach Auffassung der Bundesregierung "unmittelbar" am Jemen-Krieg beteiligt sind. In dieser Woche nun erteilte ein Beamter des Auswärtigen Amtes Auskunft im Auswärtigen Ausschuss. Seine aus Sicht etlicher Abgeordneter verblüffende Antwort: zwei. Nur Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate seien "unmittelbar" oder "maßgeblich" am dem Krieg beteiligt.

Dabei gäbe es eine viel längere Liste, auf die die Bundesregierung sich stützen könnte. 2015 hatten sich unter Führung Saudi-Arabiens acht weitere arabische Staaten der Militäroperation "Sturm der Entscheidung" zum Schutz der jemenitischen Regierung vor Huthi-Rebellen angeschlossen, darunter Ägypten, Bahrain, Jordanien und Marokko. Katar wurde später aus der Allianz verstoßen, stattdessen schloss sich Senegal an. Wer sich zu dieser Allianz zähle, müsse auch dazu gezählt werden, verlangt Stefan Liebich, Obmann der Linken im Auswärtigen Ausschuss. "Die Formulierung im Koalitionsvertrag ist so ausgehöhlt worden, dass man sie nicht mehr erkennt", kritisiert er. Das sei "eine Riesenpleite für die SPD, aber vor allem schlimm für die Menschen im Jemen".

Nur zwei Länder sollen am Jemen-Krieg beteiligt sein, heißt es im Auswärtigen Amt

Das EU-Parlament beklagte jüngst "intensive Luftangriffe, darunter wahllose Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete" und forderte alle EU-Staaten auf, "davon Abstand zu nehmen, Waffen und Militärausrüstung an Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder ein anderes Mitglied der internationalen Koalition oder an die jemenitische Regierung" zu verkaufen. Auf Zweifel an ihrer Waffenbruderschaft reagieren die Mitglieder der Allianz übrigens empfindlich. "Ägypten ist ein Mitglied in der Arabischen Allianz für die Unterstützung der Legitimität in Jemen und unterstützt diese Allianz", stellte Ägyptens Botschafter in Berlin, Badr Abdelatty, jüngst in einem Leserbrief klar. Die Süddeutsche Zeitung hatte zuvor über Bemühungen Abdelattys berichtet, Bundestagsabgeordnete zu überzeugen, dass sein Land nicht direkt am Jemen-Krieg beteiligt sei.

An Ägypten, wie an alle anderen Länder der Koalition, sind nach einer Aufstellung des Wirtschaftsministeriums auch in den vergangenen sechs Monaten Rüstungslieferungen genehmigt worden - am meisten an Saudi-Arabien mit einem Wert von fast 255 Millionen Euro. Außenminister Heiko Maas (SPD) musste sich dafür sogar in der eigenen Fraktion rechtfertigen. Zwar gibt es eine Klausel im Koalitionsvertrag, wonach Firmen "Vertrauensschutz" erhalten, wenn sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland bleiben. Mehrere Abgeordnete meldeten aber Zweifel an, dass für acht zuletzt gelieferte Patrouillenboote garantiert werden könne, dass sie nicht im Jemen-Krieg eingesetzt werden. Auf Kritik stieß auch die Lieferung von vier Radarsystemen für Artilleriegeschütze vom Typ Cobra, das von einem deutsch-französisch-britischen Konsortium entwickelt wurde. Die restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen, heißt es im Koalitionsvertrag, wolle man auch mit "unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden".

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SZ vom 19.10.2018
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