Süddeutsche Zeitung

Riad:Demonstranten stürmen saudische Botschaft in Teheran

Lesezeit: 2 min

Botschaftsgebäude teilweise in Brand gesetzt

Mehrere Demonstranten haben in der Nacht zum Sonntag die saudische Botschaft in Teheran gestürmt und Teile des Gebäudes in Brand gesetzt. Das berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben eines Polizeisprechers haben die Sicherheitskräfte die Lage inzwischen wieder unter Kontrolle, es seien keine Demonstranten mehr im Botschaftsgebäude. Die Feuerwehr war vor Ort, um den Brand zu löschen.

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim meldete, "eine Gruppe von wütenden Iranern" habe die Botschaft aus Protest gegen die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien angegriffen. Dieser war gemeinsam mit 46 weiteren Menschen unter Terrorismusvorwürfen exekutiert worden. In sozialen Netzwerken kursieren Bilder und Videos, die das brennende Botschaftsgebäude zeigen sollen.

Bundesregierung und EU kritisieren Saudi-Arabien

Die Bundesregierung zeigte besorgt über die dadurch wachsenden Spannungen in der Golfregion. Der Ton zwischen den Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien hatte sich nochmals verschärft, als bekannt wurde, dass das Königreich den schiitischen Geistlichen hingerichtet hatte.

"Entsetzt durch Berichte über die jüngsten Exekutionen in Saudi-Arabien", twitterte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer.

Die Union sei gegen die Todesstrafe und besonders gegen Massenhinrichtungen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. Es gebe ernste Bedenken, unter anderem wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, erklärte Mogherini mit Blick auf seine Hinrichtung. "Dieser Fall hat auch das Potenzial, sektiererische Spannungen, die bereits viel Schaden in der gesamten Region anrichten, mit gefährlichen Folgen weiter anzuheizen." Im Auswärtigen Amt hieß es dazu, die Hinrichtung Al-Nimrs "verstärkt unsere bestehenden Sorgen über zunehmende Spannungen und sich vertiefende Gräben in der Region".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die rivalisierenden Religionsgruppen zur Zurückhaltung auf. Alle Verantwortlichen in der Region müssten zu einem Abbau der Spannungen beitragen, forderte er.

Heftiger Protest aus Iran

Aus Teheran kamen nach al-Nimrs Hinrichtung massive Proteste. "Anstatt sich mit den (IS-) Terroristen zu beschäftigen, die die Region und die ganze Welt gefährden, lassen die Saudis eine Persönlichkeit wie Al-Nimr hinrichten", sagte Außenamtssprecher Dschaber Ansari. Die rein politisch und religiös motivierte Tat reflektiere die irrationale und verantwortungslose Politik der Saudis, kritisierte er.

Am Sonntag soll es vor der saudischen Botschaft in Teheran eine große Protestdemonstration geben. Die iranische Nachrichtenagentur Mehr berichtet von Protesten in der Stadt Ghom. Der einflussreiche iranische Ajatollah Ahmad Chatami sagte, "das Verbrechen" an Scheich al-Nimr werde dazu führen, dass die sunnitische Herrscherfamilie Saud aus den Geschichtsbüchern ausgelöscht werde.

Auch von führenden Schiiten aus dem Irak und dem Libanon sowie von den schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen kam massive Kritik.

Protagonist des Arabischen Frühlings

Während des Arabischen Frühlings 2011 war Al-Nimr in Saudi-Arabien die zentrale Figur schiitischer Proteste. Er ist ein entschiedener Gegner des sunnitischen Königshauses in Riad. Vor einem Jahr wurde er von einem Sondertribunal zum Tode verurteilt. Ende Oktober wurde das Todesurteil vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt.

In dem ultrakonservativen Königreich leben überwiegend sunnitische Muslime, vorherrschend ist die besonders strenge Glaubensform des Wahabismus. Das Land führt als sunnitische Regionalmacht einen Dauerkonflikt mit dem schiitisch geführten Iran.

Erste Namensliste

Die amtliche saudische Nachrichtenagentur SPA veröffentlichte zunächst eine Liste von 30 Namen und kündigte weitere an. Nicht auf der ersten Liste stand al-Nimrs ebenfalls zum Tode verurteilter Neffe Ali Mohammed al-Nimr. Er war zum Zeitpunkt seiner Festnahme erst 17 Jahre alt. Das Todesurteil gegen ihn hatte weltweit für Empörung gesorgt. Nach der UN-Kinderrechtskonvention sind Todesstrafen für von Minderjährigen begangene Taten verboten.

Im gerade abgelaufenen Jahr 2015 exekutierte das Königreich mindestens 157 Menschen. Es war die höchste Zahl von vollstreckten Todesstrafen in den vergangenen beiden Jahrzehnten.

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