Süddeutsche Zeitung

Regierungsbildung in NRW:Krafts politische Pubertät

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Hannelore Kraft will keine Minderheitsregierung, sie will recht behalten. Ihr Ziel heißt: Jürgen Rüttgers soll weg. Diese Besessenheit ist lächerlich und der SPD unwürdig.

Kurt Kister

Hannelore Kraft ist die Frau, die sich nicht traut. Weder traut sie sich, eine Minderheitsregierung zu probieren. Noch traut sie sich, wie das in der Demokratie nach Wahlen üblich ist, Abstriche von ihrem Programm zu machen, um mit Grün und Gelb oder mit Schwarz zu einer Koalition zu kommen.

Also wird die SPD als Oppositionspartei im Landtag von Nordrhein-Westfalen weitermachen, auch weil ihre Chefin offenbar nicht die integrativen Fähigkeiten besitzt, die eine Ministerpräsidentin braucht.

Dennoch weiß jeder, dass die Fata Morgana von der Opposition, die aus dem Parlament heraus die Politik verändert, spätestens dann zu Ende sein wird, wenn der geschäftsführende Ministerpräsident Rüttgers den Haushalt einbringen und damit keine Mehrheit finden wird.

Kraft ist aber auch die Frau, die unbedingt recht behalten will. Zwar hat sie das nahezu schlechteste SPD-Ergebnis erzielt, das es jemals im Westen zu vermelden gab. Weil aber Jürgen Rüttgers und seine CDU noch tiefer abstürzten, missinterpretiert Kraft bis heute diese Tatsache als Wählerauftrag an ihre Partei, obwohl zwei Drittel der Wähler in NRW nicht für die SPD gestimmt haben. Kraft will Rüttgers weghaben, fast um jeden Preis. Sie ist davon besessen.

Diese Art der Verbissenheit ist leider nicht nur lächerlich. Sie trägt auch dazu bei, dass bei vielen Menschen, zumal bei jenen, die ohnehin skeptisch auf die Politik schauen, der Eindruck bestärkt wird, dass die im Landtag nur ihre Spielchen treiben.

Eine Landesregierung im Amt zu belassen, um dann bei Gesetzesvorhaben und dem Etat zu demonstrieren, dass diese keine Mehrheit hat, ist eine Form des politischen Pubertierens, die der SPD eigentlich unwürdig sein sollte.

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Quelle:
SZ vom 16.06.2010
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