Süddeutsche Zeitung

Reform der Bundeswehr:Tarnen und täuschen

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Das Verteidigungsministerium zu verkleinern, klingt ökonomisch. Doch die Vorstellung, die Halbierung des Ministeriums würde auch die Hälfte der Stellen einsparen, ist Etikettenschwindel.

Peter Blechschmidt

Politische Debatten zeichnen sich nicht immer durch Sachkunde aus. Mal ist es der Drang zur Selbstdarstellung, der dazu führt, dass allein aufgrund von Schlagzeilen eine Meinung geäußert wird. Mal ist es eindeutige, wenn auch nicht erklärte Absicht, mit falschen Fakten ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Derzeit ist es wieder mal die Bonn-Berlin-Debatte, in der erkennbar mit gezinkten Karten gespielt wird.

Ausgelöst hat die neue Diskussionsrunde die Kommission zur Strukturreform der Bundeswehr unter dem Vorsitz des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. In ihrem vorige Woche vorgelegten Bericht heißt es: "Das Ministerium ist von Grund auf neu zu konzipieren und muss sich dabei unter Anlegung eines strengen Maßstabes auf seine ministeriellen Kernaufgaben konzentrieren." Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die Größe des Ministeriums "nach einer ersten Abschätzung auf unter 1500 Dienstposten reduziert werden kann". Das wären nur knapp die Hälfte der Mitarbeiter von heute.

Abgesehen davon, dass das harsche Urteil der Kommission über die geringe Leistungsfähigkeit des Ministeriums bei den beschäftigten Soldaten und Beamten keinen großen Motivationsschub ausgelöst hat, lässt die Weise-Empfehlung eine entscheidende Frage offen: Der Kommissionsbericht enthält keine Aussage darüber, was mit den wegfallenden Ministeriumsstellen geschehen soll.

Man habe ja schon immer gewusst, dass die Ministerien im Allgemeinen und das Verteidigungsministerium im Besonderen ein Wasserkopf seien, triumphieren nun die Kritiker des Beamtenapparats - nicht ganz zu Unrecht. Aber die großen Vereinfacher lassen außer Acht, dass die Dienstposten als solche und ihre Inhaber nicht einfach verschwinden. "Man kann die Beamten und Soldaten ja nicht in Salzsäure auflösen", kommentiert ein Kenner der Verhältnisse sarkastisch. Vielmehr dürften die meisten Stellen als solche erhalten bleiben, nur dass sie dann nicht mehr Teil eines Ministeriums, sondern einer irgendwie benannten Behörde oder einem Führungskommando zugeordnet sein werden. Die Vorstellung, die Halbierung des Ministeriums würde auch die Hälfte der Stellen einsparen, ist Etikettenschwindel.

Gleichwohl wird dieser Eindruck vor allem von jenen genährt, die schon seit langem das Bonn-Berlin-Gesetz aushebeln wollen. Dieses Anfang der neunziger Jahre beschlossene Gesetz legt fest, dass Bonn als Ausgleich für den Verlust des Status als Regierungssitz erster Standort einiger Ministerien bleibt. Kritiker dieser Regelung, die hohe Kosten und Reibungsverluste beklagen, fühlen sich durch eine weitere Empfehlung der Weise-Kommission bestärkt: "Das Ministerium ist so schnell wie möglich am Dienstsitz Berlin zusammenzuführen." Einzige Begründung: Das Ministerium müsse "auf seine ministeriellen Aufgaben konzentriert" werden.

Nun machen auch viele Bedienstete kein Hehl daraus, dass nicht alle ihre Aufgaben zwingend in einem Ministerium angesiedelt sein müssten. Doch vor so tiefgreifende Änderungen, wie die Weise-Kommission sie vorschlägt, hat das Schicksal den Gesetzgeber und die Interessenvertreter gesetzt. Die Bonner müssen sich - vorerst zumindest - um ihre Jobs keine allzu großen Sorgen machen. Ihnen käme allenfalls die Ministerialzulage von durchschnittlich 250 Euro brutto im Monat abhanden. Das täte auch weh und wird deshalb für hinhaltenden Widerstand sorgen. Peter Blechschmidt

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SZ vom 02.11.2010
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